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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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ist, wenn er Immer-schön-unauffällig-bleiben-Doug davon erzählt.
    Ein Schlüssel dreht sich in der Haustür. Sam und Alex platzen rein und fangen, als sie mich sehen, sofort zu jubeln und zu johlen an. »Jungs, ihr bleibt hier bei Claire, während ich Joe nach Hause fahre«, sagt Janet. »Geht das in Ordnung, Claire?«
    »Ja, klar.« Ich spüre ihre Erleichterung. Wenn sie Ellie und ihrer netten Mutter nun erzählt, was ich ihr für eine Angst eingejagt habe? Wie konnte ich das nur tun?
     
    |181| Als wir bei uns zu Hause ankommen, fallen Maureen sofort meine nicht-braunen Augen auf und ihre eigenen werden vor Schreck ganz groß. Ich gehe nach oben und hole die Ersatzlinsen, während Janet Maureen eine Fahrt in die Notaufnahme ans Herz legt. Maureen ist gleich damit einverstanden. »Sie hat ganz recht, Joe, wir müssen das nachschauen lassen, vor allem jetzt, wo deine Mutter nicht da ist.«
    Ich protestiere nicht mehr. Die Schmerzen werden immer schlimmer und das Atmen fällt mir ein bisschen schwer. Aber das sage ich nicht, damit sie sich nicht noch mehr aufregen.
     
    Nachdem wir im Krankenhaus ein paar Stunden gewartet haben, kennt Maureen die ganze Geschichte. Bis auf die Sache mit Claire natürlich. Maureen ist ziemlich in Ordnung, die beste Polizistin bis jetzt. Man kann sich gut mit ihr unterhalten. Anscheinend geht sie davon aus, dass sich das mit Carl wieder einrenkt, auch wenn sie es nicht gut findet, dass ich ihn geschlagen habe.
    »Meiner Meinung nach sollten die Schulen bei solchen Zwischenfällen viel strenger reagieren, dann hätten wir später nicht solche Probleme auf der Straße«, meint sie. »In der guten alten Zeit herrschte null Toleranz. Du und Carl, ihr wärt alle beide von der Schule geflogen. Heute gibt’s höchstens einen Klaps auf die Finger.«
    Ich werde geröntgt. Ich liege auf dem Tisch und über mir klickt und surrt eine weiße Maschine. Wie es wohl wäre, wenn diese Maschinen genauso in unser Gehirn |182| reinschauen könnten wie in unseren Körper, wenn man auch das Gewirr aus Geschichten, Lügen, Gedanken und Problemen sichtbar machen könnte? Wenn sie ein Bild machen könnten, auf dem die innere Wahrheit festgehalten wird, die wahre Persönlichkeit, das Skelett der Seele. Was würden sie sehen, wenn sie in mich reinschauen könnten?
    Wir warten noch eine Weile, dann kommt eine Ärztin und erzählt mir, dass ich zwei gebrochene Rippen habe und es in nächster Zeit etwas langsamer angehen lassen soll. Sie verschreibt mir Schmerztabletten und ordnet an: »Keinen Sport mit Körperkontakt, denn es besteht die Gefahr, dass du dir bei einem neuerlichen Zusammenprall die Lunge durchbohrst. Und keinen Alkohol, solange du die Tabletten einnimmst.«
    »Um Himmels willen, er ist erst dreizehn!«, erwidert Maureen, und die Ärztin fragt: »Waren Sie schon mal Samstagnacht hier?«
    »Was ist mit Laufen?«, frage ich.
    »Das müsste gehen«, antwortet sie, »aber wenn dir das Atmen irgendwie schwerer fällt als sonst, musst du sofort aufhören und einen Arzt aufsuchen.«
     
    Als wir eben gehen wollen, kommen Carl und seine Mutter aus einem anderen Untersuchungszimmer raus. Carls Gesicht ist scheußlich geschwollen, er drückt sich ein Coolpack an die Nase. Seine Mum hat ihm wohl ein paar Klamotten gebracht, denn er hat jetzt einen Trainingsanzug an. Die beiden müssen schon ewig hier sein.
    |183| Ich zupfe Maureen am Ärmel. »Das ist er. Können wir kurz warten? Ich will nicht, dass er mich sieht.«
    Carl sieht gar nicht mehr stark und brutal aus, sondern wie ein kleiner Junge, der an Mamas Rockzipfel hängt. Als ich sehe, wie seine Mutter den Arm um ihn legt, kriege ich sofort Sehnsucht nach Gran. Ich brauche sie dringend.
    »Komm, sie sind weg«, sagt Maureen und wir gehen zu ihrem Auto. Jeder Schritt verursacht Schmerzen. Bestimmt kann ich mein Trainingsprogramm die nächsten Tage vergessen, ob ich jetzt in die Halle darf oder nicht.
    Zu Hause macht Maureen mir einen Toast mit gebackenen Bohnen. Ich stelle mein Handy an. Ich habe achtzehn SMS und zehn Nachrichten. Fast alle SMS sind von Mitschülern, die mir gratulieren und ihre Unterstützung anbieten, als wäre ich der Anführer einer Widerstandsbewegung unter einer grausamen Diktatur. Sie müssen meine Nummer von Ashley haben. Sie hat auch gesimst:
du bist mein held! morgen um 4 im park? freu mich jetzt schon. xxxxx.
    Dann höre ich die Mailbox ab. Es ist auch eine Nachricht von Mum dabei.
    Maureen bestreicht den Toast mit Butter. Ich

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