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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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den Vorhang auf. Als die Sonne hereinscheint, blinzelt Claire. »Ja, sie sind wieder braun«, sage ich und schaue ihr in die Augen. »Siehst du?« Ich nehme eine Linse heraus. »Und jetzt ist das eine grün. Ich vertraue dir echt, und du kannst mir genauso vertrauen.« Ich setze die Linse wieder ein.
    »Was war das denn?«, fragt sie, aber sie ist nicht mehr so wütend. Sie schaut mir immer noch in die Augen. »Ist das dein Party-Trick?«
    »Nein. Echt, Claire, das darf keiner wissen. Keiner. Nur du.«
    »Nicht mal Ashley?«
    »Die schon gar nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich mich nur mit ihr verabredet, weil ich ein bisschen Schiss vor ihr hatte. Und weil sie ziemlich   … du weißt schon   …«
    »Ne ziemlich geile Tussi ist?«
    »Eine Postfeministin des 21.   Jahrhunderts«, erwidere ich, leicht erschüttert über ihren unsolidarischen Sexismus. Meine Tanten haben mich mit der
Cosmopolitan
aufgezogen, daher weiß ich, dass man Frauen, die ein aktives und erfülltes Sexualleben führen, nicht runtermachen soll. Schon gar nicht, wenn sie dieses Sexualleben mit mir führen wollen.
    »So kann man’s auch ausdrücken.« Claire kichert, und ich lache auch. Jetzt weiß ich, dass wir uns aufeinander verlassen können. Trotzdem bleibt ein winziger nagender Zweifel, ob ich ihr Geheimnis wirklich für mich behalten |208| soll. Muss ich nicht Ellie oder ihrer Mutter erzählen, dass Claire sich selbst verletzt?
    Ellie. Was ist überhaupt mit ihr? »Sag mal, Claire, ist Ellie sauer auf mich?«
    »Ach, das glaub ich nicht. Die ist nur noch damit beschäftigt, sich auf ihren Wettkampf am Wochenende vorzubereiten. Wenn sie sich voll auf etwas konzentriert, denkt sie an nichts anderes mehr. Deswegen hat Mum ja auch diese Grillparty arrangiert, um sie ein bisschen abzulenken. Außerdem muss sie sich an ihre neue Helferin Magda gewöhnen, und das nervt sie.«
    »Was nervt sie denn daran?«
    »Ellie gibt nicht gern zu, dass sie Hilfe braucht, aber Mum und Dad können nicht immer für sie da sein, darum muss sie sich mit Magda abfinden, aber dagegen wehrt sie sich. Es ist nicht leicht   … für alle Beteiligten. Ellie kann richtig fies sein.«
    »Aha. Aber hör mal, ich wollte dir noch sagen, dass es mir wegen neulich leidtut. Ich hätte dir nicht wehtun dürfen. Ich weiß selber nicht, was da in mich gefahren ist.« Mir fällt ein, dass Maureen behauptet hat, Sauerstoffmangel hätte meine Zurechnungsfähigkeit eingeschränkt, aber sogar das ist eigentlich keine Entschuldigung dafür, jemandem wehzutun, der so zart wie Claire ist.
    »Ich hab die ganze Zeit gewusst, dass du Angst hast«, sagt sie. »Ich hab bloß nicht begriffen, wieso du vor mir Angst hast. Warum machst du deine Augen braun, wenn sie eigentlich grün sind?«
    |209| Eine verrückte Sekunde lang habe ich große Lust, ihr einfach alles zu erzählen, diesem Mädchen, das selbst so ein gruseliges Geheimnis hütet. Einem Mädchen, das meine Angst nachvollziehen kann. »Ist ’ne lange Geschichte«, sage ich und denke, wie schön es wäre, wenn ich mich jemand Gleichaltrigem anvertrauen könnte. »Ich wüsste nicht mal, wo ich anfangen sollte.«
    Rumms! Alex und Sam kommen reingestürmt und brüllen aus vollem Hals: »Was macht ihr hier? Das Essen ist längst fertig! Mum hat gesagt, ihr sollt sofort runterkommen!«
    »Raus aus meinem Zimmer, ihr Ungeheuer!«, schreit Claire, und wir scheuchen die beiden die Treppe runter.
    Als sie in den Garten rausgerannt sind, frage ich Claire: »Können wir nachher weiterreden?«
    »Das wär schön«, antwortet sie.
    Der Garten ist voller Leute. Ich erkenne Janet und Ellie, und auch Magda ist da, eine blonde Polin, die mir sehr nett und ein bisschen schüchtern vorkommt. Ich begrüße sie auf Polnisch, und sie macht ein ganz erstauntes und erfreutes Gesicht, weil jemand extra ihre Sprache gelernt hat. Schade, dass Doug meinen Unterricht im Hotel abgewürgt hat. Vielleicht kann ich ja bei Magda weiter Polnisch lernen.
    Außerdem ist noch Alistair da, Ellies Trainer, ein Typ mit einer albernen supergegelten Boygroup-Frisur, außerdem Kieron, ein anderer Rollstuhlsportler mit unglaublich aufgepumpten Armen, und Tim und Sue, die, wie sich herausstellt, nebenan wohnen. Die vier kleineren |210| Jungs   – zwei davon gehören zu Tim und Sue   – lassen mir keine Ruhe, bis ich endlich, nachdem ich hastig einen Hamburger runtergeschlungen habe, mit ihnen Fußball spiele.
    Wir spielen ungefähr eine Stunde, dann lassen wir uns total

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