Mehr als nur Traeume
wieder stieß er mit dem Schwertarm zu, und der Ritter wich jedesmal mit einem Schritt zur Seite seinen Attacken aus.
»Sir?« meinte der Mann verwundert.
»Wollt Ihr mir nun einen guten Kampf liefern oder nicht?« forderte Nicholas den Ritter heraus und attackierte ihn erneut. Wenn er sich todmüde kämpfte, würde er vielleicht auch die Stimme der Frau nicht mehr hören können.
Nicholas kämpfte drei Männer matt, ehe ein vierter, frischer Mann ihn besiegte. Nicholas drehte nach rechts ab, statt nach links, wie er es hätte tun müssen, um den Schlag des Ritters zu parieren, und die Klinge seines Gegners schnitt seinen linken Unterarm fast bis zum Knochen auf. Nicholas stand da und starrte seinen blutenden Arm an, und plötzlich war da wieder eine Vision. Aber das Bild erschien nicht einfach, er befand sich mitten in einem Traum.
Er ging neben einer rothaarigen Frau durch ein seltsames Dorf an einem seltsamen Ort, und sie blieben vor einem Haus mit Glasfenstern stehen, aber mir Glasfenstern, wie er sie noch nie gesehen hatte oder sich selbst in seinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können: Das Glas war so klar, als wäre es gar nicht da. Eine Maschine - eine große, seltsame Maschine auf Rädern - zog an ihnen vorbei; aber sie schien ihn nicht zu interessieren. Er war gerade dabei, dieser Frau zu erzählen, wo er sich die Narbe an seinem linken Arm geholt hatte. Und er erklärte ihr, daß an dem Tag, wo er sich den Arm beim Schwertkampf verletzte, Kit in einem See ertrunken war.
Er kam so abrupt aus seinem Traum heraus, wie er in ihn hineingeraten war, und als er in die Gegenwart zurückkehrte, lag er auf dem Boden, während seine Männer besorgt um ihn herumstanden und einer von ihnen sich bemühte, die Blutung an seinem Arm zum Stillstand zu bringen.
Nicholas hatte keine Zeit, sich nun seinen Schmerzen zu überlassen. »Sattelt zwei Pferde«, sagte er leise, »eines mit einem Frauensattel.«
»Reiten?« fragte einer seiner Männer verwundert. »Ihr gedenkt, mit einer Frau auszureiten? Euer Arm .. .«
Nicholas blickte ihn mit kalten Augen an. »Für diese Montgomery-Frau. Sie ...«
»Sie kann gerade so gut reiten, daß sie nicht vom Pferd fällt«, sagte einer der Ritter im verächtlichen Ton.
Nicholas erhob sich vom Boden. »Bindet meinen Arm ab, damit die Blutung aufhört, und dann sattelt zwei Pferde. Mit Männersätteln. Sputet euch«, sagte er. »Verliert keine Zeit damit.« Seine Stimme war schwach, aber er sprach in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
»Soll ich die Frau holen?« fragte ein anderer Ritter.
Nicholas, der den verletzten Arm von sich streckte, damit ein Ritter ihn stramm mit einem Tuch umwickeln konnte, blickte zu den Fenstern des Hauses hinauf. »Sie wird kommen«, sagte er mit zuversichtlicher Stimme.
Dougless saß über ihre Stickerei gebeugt und hörte einer der Damen zu, die eine pikante Geschichte von einer Frau erzählte, die mit dem Gatten ihrer Nachbarin schlafen wollte. Sie war mit ihren Gedanken ganz bei dieser Geschichte, als sie plötzlich einen sengenden Schmerz in ihrem linken Unterarm spürte.
Sie stieß einen Schrei aus, kippte auf dem Schemel nach hinten und fiel auf den Boden. »Mein Arm!« wimmerte sie. »Jemand hat meinen Arm verletzt.« Sie drückte ihn gegen ihren Leib, während ihr vor Schmerzen die Tränen in die Augen schossen.
Honoria sprang auf die Beine und rannte zu Dougless. Sie kniete sich neben ihr auf den Boden. »Reibt ihre Hände, damit sie nicht in Ohnmacht fällt«, befahl Honoria den anderen Damen, während sie eilends Dougless’ linken Ärmel an der Schulter losband und herunterzog. Honoria biß sich auf die Lippen, als sie Dougless’ Arm von deren Brust lösen mußte, damit sie den Ärmel entfernen konnte. Dann streifte sie den Stoff des leinernen Untergewandes in die Höhe, um sich Dougless’ Arm anzusehen.
Aber da war keine Wunde zu entdecken. Nicht einmal die Haut hatte sich verfärbt.
»Ich kann nichts finden«, sagte Honoria, die es plötzlich mit der Angst bekam. Sie hatte Dougless sehr liebgewonnen, aber diese Frau war zuweilen wunderlich. Sir Nicholas beschuldigte sie sogar, eine Hexe zu sein. War dieser Schmerz etwa eine Manifestation ihrer Zaubermacht?
Aber Dougless tat der Arm höllisch weh. Und als sie ihn nun selbst betrachtete, mußte sie in der Tat einsehen, daß ihm nichts fehlte. »Ich habe das Gefühl, als wäre er aufgeschnitten«, flüsterte sie. »Als habe ihn jemand mit dem Messer
Weitere Kostenlose Bücher