Mehr als nur Traeume
ihrem Verlangen nachzukommen.
»Gehorcht ihr!« brüllte Nicholas.
Dougless machte sich sofort an die Arbeit, verwendete die moderne Lebensrettungstechnik, um das Wasser aus seinen Lungen zu entfernen. Sie kniete mit gegrätschten Schenkeln über ihm, drückte mit beiden Händen fest gegen seinen Brustkorb und hob dann seine Arme an, um Luft in seine Lungen zu pumpen. Einmal, zweimal, dreimal. Keine Reaktion.
»Betet«, rief sie dem Mann, der am dichtesten bei ihr stand, zu. »Ich brauche jede Hilfe, die man mir geben kann. Betet, daß ein Wunder geschehen möge.«
Die Männer sanken auf die Knie, falteten die Hände und neigten die Köpfe.
Nicholas kniete vor Kits leblosem Körper nieder, legte die Hände auf Kits nassen Scheitel und neigte dann den Kopf, die Augen fest geschlossen.
Dougless arbeitete ununterbrochen: Ein, aus; ein, aus.« Kit, bitte«, flüsterte sie. »Bitte, verlaß uns nicht.«
Als sie schon nahe daran war, jede Hoffnung aufzugeben, hustete Kit.
Nicholas’ Kopf ruckte in die Höhe, während er Dougless ansah. Sie fuhr fort, Kits Rücken zu bearbeiten und seine zusammengelegten Arme zu heben.
Kit hustete zum zweitenmal, zum drittenmal, und dann erbrach er Wasser, und seine Lungen waren frei.
Dougless rollte von ihm weg, barg ihr Gesicht in den Händen und brach in Tränen aus.
Nicholas hielt die Schultern seines Bruders, während der ununterbrochen Wasser ausspuckte. Ein Ritter wickelte seinen Umhang um Kits nackten Unterkörper, während die anderen Männer Dougless anstarrten. Ihre Haare hingen ihr lose und wirr über die Schulten, ihr Kleid war zerrissen, sie hatte einen Schuh verloren, ein Ärmel fehlte und der andere war mit Nicholas Blut beschmiert.
Kit hörte endlich auf, sich zu erbrechen, und lehnte sich erschöpft gegen den Rücken seines Bruders. Er blickte auf den verletzten Arm von Nicholas, der ihn vom stützte, und auf das Blut, das ihm auf die nackte Brust tropfte. Er blickte zu den Männern hin, die nun alle auf die leise in ihre Hände weinende Montgomery-Frau hinunterstarrten.
»Das ist mir eine feine Art, einen Mann zu begrüßen, der soeben von den Toten auferstanden ist«, brachte schließlich Kit mit krächzender Stimme heraus. »Mein Bruder blutet sich auf meiner Brust aus, und eine hübsche Frau vergießt Tränen. Freut sich denn keiner, daß ich noch lebe?«
Wenn es möglich gewesen wäre, hätte Nicholas seinen Bruder jetzt noch inniger an sich gedrückt. Dougless blickte hoch, wischte sich die Tränen mit dem Handrücken und schniefte. Ein Ritter gab ihr sein Taschentuch. »Danke«, murmelte sie und schneuzte sich laut.
»Diese Maid hat Euch gerettet«, sagte einer der Ritter mit ehrfürchtiger Stimme. »Es ist ein Wunder.«
»Hexenzauber«, murmelte ein zweiter.
Nicholas blickte den Mann scharf an. »Wenn du sie noch einmal eine Hexe nennst, wirst du nicht lange genug leben, um dieses Wort ganz aussprechen zu können.«
Die Männer wußten, daß das keine leere Drohung war.
Dougless blickte Nicholas an. Sie spürte, daß er seinen Haß überwunden hatte. Vielleicht würde er in Zukunft auf sie hören, wenn sie ihn vor Gefahren für seine Familie warnte. Sie schneuzte sich zum zweitenmal und wollte sich vom Boden erheben, und als sie stolperte, eilte ein Ritter zu ihr, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Die Männer blickten sie alle an, als wüßten sie nicht, ob sie sie für eine Heilige oder eine Dämonin halten sollten.
»Gütiger Himmel«, rief sie, »hört auf, mich so entgeistert anzustarren. Ich habe kein Wunder vollbracht, sondern nur ein in meinem Land übliches Verfahren angewendet. Bei uns gibt es viel Wasser, und deshalb kommt es auch häufig vor, daß Menschen ertrinken.«
Erleichtert stellte sie fest, daß die Männer ihr glaubten -vermutlich, weil sie ihr glauben wollten.
»Steht jetzt nicht länger herum und haltet Maulaffen feil! Der arme Kit wird noch erfrieren, Wenn er nicht bald etwas zum Anziehen bekommt. Und dein Arm sieht schrecklich aus, Nicholas. Ihr beiden dort helft Kit, und die anderen sehen zu, ob sie nicht ein paar saubere Tücher für einen frischen Verband auftreiben können. Und du schaust nach den Pferden, ob sie diesen Gewaltritt überlebt haben. Marsch, bewegt euch!«
Einen Vorteil haben die Frauen seit jeher gehabt: In jedem Mann steckt ein kleiner Junge, der sich immer an die Zeit erinnern wird, wo Frauen die Allmacht über ihn besaßen. Und so rannten sich nun die Ritter gegenseitig fast um, als sie sich
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