Mehr als nur Traeume
Kleider nicht verstehen. Es dauerte eine Weile, ihm begreiflich zu machen, daß Kleider aus der Zeit Eduards VII. historische Kostüme, also »alt« waren.
Später, im Hotel, waren die einzigen Toilettengegenstände, die ihnen zur Verfügung standen, was Dougless in ihrer Handtasche hatte und in dem kleinen Korb, den das Hotel seinen Gästen bereithielt, und so teilten sie sich eine Zahnbürste. Dougless hatte vor, in ihrer Unterwäsche zu schlafen; und nachdem sie geduscht hatte, wickelte sie sich in den Frotteemantel ein, den das Hotel im Badezimmer den Gästen mit den Badetüchern bereitlegte. Sie wollte zu Bett gehen; aber Nicholas wollte, daß sie ihm noch etwas vorlas, und so holte sie den Agatha-Christie-Roman aus ihrer Handtasche, setzte sich in einen Sessel neben sein Bett und las, bis er eingeschlafen war.
Ehe sie das Licht ausdrehte, stand sie noch an seinem Bett, blickte auf seine weichen schwarzen Locken hinunter, die auf dem schneeweißen Kopfkissenbezug lagen, beugte sich, einem Impuls folgend, hinunter und küßte ihn auf die Stirn. »Gute Nacht, mein Prinz«, flüsterte sie.
Zu ihrer peinlichen Überraschung faßte Nicholas nach ihren Fingern. »Ich bin bloß ein Graf«, sagte er leise mit geschlossenen Augen; »aber dennoch vielen Dank für diese große Ehre.«
* Lächelnd entzog sie ihm ihre Hand und ging zu ihrem Bett hinüber. Sie lag noch lange wach, lauschte den Geräuschen, die von ihm herüberdrangen, weil sie sich fragte, ob ihn nicht wieder wie in der Nacht zuvor böse Träume plagen würden. Aber er lag vollkommen still, und schließlich döste sie ein. Als sie wieder erwachte, war es heller Morgen, und Nicholas war bereits aufgestanden und befand sich im Badezimmer. Ihr erstes Gefühl war Enttäuschung, daß sie nicht, von seinen Armen umschlungen, geschlafen hatte, aber sofort rief sie sich zur Ordnung. Sie war in Robert verliebt, nicht in einen Mann, der möglicherweise den Verstand verloren hatte. Aber ob er nun verrückt war oder nicht - er gehörte ganz bestimmt nicht ihr. Er konnte sich jeden Moment in eine Rauchwolke auflösen und sie so rasch verlassen, wie er ihr erschienen war.
Er kam barfuß aus dem Badezimmer, mit nacktem Oberkörper, nur mit seiner Hose bekleidet, und rieb sich mit einem Handtuch die Haare trocken. Es gab schlimmere Anblicke am Morgen als die breite nackte Brust eines gut aussehenden Mannes. Dougless legte sich ins Kissen zurück und seufzte.
Bei ihrem Seufzer blickte er hoch und runzelte die Stirn. »Wollt Ihr den Tag vertrödeln? Wir müssen uns einen Barbier suchen, der mir das abrasiert.« Er fuhr mit der Hand über die schwarzen Stoppeln auf seinem Gesicht.
»Das ist zur Zeit sehr in Mode«, sagte sie, aber er wollte sich nicht dazu bereitfinden, unrasiert unter die Leute zu gehen. Schließlich holte sie den Rasierapparat und die winzige Tube Rasierkrem, die das Hotel für vergeßliche Gäste zur Verfügung stellte, und zeigte ihm, wie man sich damit rasierte. Ehe sie ihn daran hindern konnte, fuhr er mit den Fingerkuppen über die Rasierklinge hin und schnitt sich ins Fleisch. Er lachte über Dougless, weil sie so ein großes Gewese wegen einer so lächerlichen Schnittwunde machte.
Nachdem sie sich angekleidet und mit einem herzhaften englischen Frühstück gestärkt hatten, gingen sie einkaufen. Dougless gewöhnte sich allmählich daran, Nicholas bei den einfachsten Verrichtungen zu helfen; aber als es an die Auswahl von Kleidern ging, wußte er sehr genau, was er haben wollte. Dougless war verblüfft, was er an einem Abend, nur vom Lesen einiger Modemagazine, alles gelernt hatte.
Nicholas, der Graf, übernahm wieder das Kommando, und Dougless verharrte stumm im Hintergrund und schaute zu. Die englischen Verkäufer und Verkäuferinnen schienen zu erkennen, daß sie es mit einem Aristokraten zu tun hatten, denn der Laden hallte nur so wider von dem beflissenen »Yes, Sir«, und »No, Sir« der Angestellten.
Um Dougless’ Füße stapelten sich Tragetaschen, gefüllt mit Hemden, Hosen, Socken, Gürteln, einer wunderschönen Jacke aus gewachstem Tuch, Kappen, zwei italienischen Seidenjacketts, einer üppigen Lederjacke, Krawatten, sogar mit schwarzen Abendanzügen. Als sie den fünften Laden verließen, machte Dougless eine nicht zu überhörende Bemerkung, daß Nicholas ihr wenigstens die Hälfte der Taschen abnehmen sollte. Er warf ihr einen Blick zu, in dem sich Ungläubigkeit mit Erstaunen mischte. Ein paar Sekunden später ließ er einen
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