Mein Auge ruht auf dir - Thriller
hatte einen Grund dazu gehabt?
Er legte das Jackett ab, als er in seine Dreizimmerwohnung trat, löste die Krawatte und tauschte das langärmelige Hemd gegen ein Sporthemd aus. Dann ging er in die Küche und holte sich ein Bier. Was bin ich froh, wenn es wieder kühler wird, dachte er, streckte die langen Beine aus und fläzte sich in den betagten Kunstledersessel, den seine Mutter unbedingt durch einen neuen ersetzen wollte. »Richard, noch hast du das Armutsgelübde nicht abgelegt«, sagte sie dann immer, »und du wirst es vielleicht auch nie tun. Also musst du auch nicht so leben, als würdest du dich daran halten.« Richard musste schmunzeln. Dann richtete er seine Gedanken wieder auf Jonathan Lyons.
Er wusste, dass Jonathan alte Pergamente übersetzt hatte, die in einer geheimen Kammer in einer seit Langem aufgelassenen Kirche gefunden worden waren.
Hatte Jonathan unter ihnen den Josef-von-Arima thäa-Brief gefunden? Wäre ich bloß nicht verreist gewe sen, dachte Richard. Und hätte er mir bloß gesagt, was er entdeckt hat. Möglich, dass er zufällig darüber gestolpert ist. Richard musste daran denken, dass erst vor wenigen Jahren in einer Bibliothek in Pennsylvania die Originalpartitur von Beethovens »Großer Fuge« entdeckt worden war.
Und da war noch etwas, ein bohrender Gedanke, der sich ihm allerdings beharrlich entzog und den er auch dann nicht zu fassen bekam, als er sich später Pasta und Salat machte und anschließend ein Video-on-Demand aussuchte und ansah.
Der flüchtige Gedanke nagte an ihm, als er zu Bett ging und auch, als er in der Nacht immer wieder aus seinen Träumen aufwachte.
Erst am späten Samstagvormittag bekam er ihn endlich zu fassen. Lily hatte gelogen, als sie sagte, sie wisse nichts von einem Pergament. Davon war Richard überzeugt. Natürlich hätte Jonathan ihr mitgeteilt, wenn er eine solche Entdeckung gemacht hätte. Vielleicht hatte er das Pergament sogar bei ihr gelassen.
Und würde sie jetzt, nachdem Jonathan tot war, heimlich, still und leise einen Käufer für den Brief suchen und eine enorme Geldsumme kassieren?
Das war eine Möglichkeit, die er nur allzu gern mit Mariah besprochen hätte. Vielleicht tat es ihr ja gut, wenn er sie für heute Abend zum Essen einlud.
Aber als er anrief, erfuhr er, dass sie bereits mit Greg verabredet war. Er war ziemlich enttäuscht darüber, wie er sich eingestehen musste.
Hatte er mit seiner Entscheidung, zu der er sich endlich hatte durchringen können, zu lange gewartet?
19
N a, das hat sich aber gelohnt«, sagte der Hehler, als Wally Gruber ihm die Beute aus dem Einbruch bei den Scotts vorlegte. »Du scheinst ein glückliches Händchen zu haben.«
Wally war bester Laune. Er war vierzig Jahre alt, von kleiner, stämmiger Statur, mit angehender Glatze und einem gewinnenden Lächeln, mit dem er Ahnungslose für sich einnehmen konnte. Auf sein Konto ging eine ganze Reihe nicht geklärter Einbrüche. Nur einmal war er festgenommen worden, worauf er ein Jahr im Gefängnis gesessen hatte. Mittlerweile war er in der West 53rd Street in Manhattan in einem Parkhaus ange stellt.
Das Tagesgeschäft, dachte er höhnisch. Denn er hatte eine neue und ziemlich sichere Masche gefunden, bei der ihm die Polizei nicht auf die Schliche kommen konnte.
Seine großartige Idee bestand darin, unter den Autos der Leute, deren Häuser ihm für einen Einbruch lohnenswert schienen, einen Peilsender anzubringen, der ihm dann ihre jeweilige Position auf seinem Laptop anzeigte, sodass er ihnen folgen konnte.
Stammkunden des Parkhauses waren tabu, zu seinen Opfern gehörten ausschließlich Kunden, die lediglich für einen Abend den Wagen bei ihm abstellten. Er wählte sie häufig anhand des Schmucks aus, den die Frauen trugen. Ende Juli hatte er seinen Peilsender am Mercedes eines elegant ausstaffierten Typen angebracht. Dessen Frau sah einfach toll aus, obwohl sie gut und gern auf die fünfzig zuging, aber die Smaragde, die sie trug, erregten Wallys Aufmerksamkeit. Baumelnde Smaragd-Diamant-Ohrringe, eine Diamant-Smaragd-Halskette, ein Armband, das einen förmlich ansprang, ein Ring, der um die sieben Karat haben musste. Wally gingen die Augen über, und nur mit Mühe konnte er den Blick wieder abwenden.
Sieh an, sieh an, dachte er, als Lloyd Scott ihm am Ende des Abends fünf Dollar Trinkgeld gab. Du weißt ja gar nicht, welches Geschenk du mir gerade gemacht hast.
Am nächsten Abend war er nach Mahwah, New Jersey, hinaus- und am Haus der Scotts
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