Mein bestes Stuck
abgehauen wärst wie ein räudiger Hund, in der Zeit, als ich dich am dringendsten brauchte?«
»Wie oft muss ich es denn noch sagen? Ich werde mich nie, nie wieder so schäbig verhalten!«, sagte Lorenzo mit lauter Stimme, und Eleonore wich vor Schreck vor ihm zurück. Man würde sie noch hören, wenn er sich nicht zusammenriss.
»Das hoffe ich sehr für dich«, schimpfte sie nun verhalten zurück. »Ich habe zwar keine Ahnung, wie du es angestellt hast, aber du hast dir eine Verlobte geangelt, die lieb ist und hübsch, und zudem noch loyal und klug und die du schlicht und ergreifend NICHT VERDIENST!«
»Wie bitte?« Lorenzo funkelte sie zornig an.
»Du hast mich schon richtig verstanden. Und hör mir jetzt genau zu, Lorenzo: Ich würde eher zum Mond fliegen, als mich wieder mit dir einzulassen. Also geh in dich, mach dir ein paar Gedanken und pass auf Julia auf. Denn irgendetwas sagt mir, dass du dich höllisch anstrengen müssen wirst, um dieses Mädchen nicht zu verlieren.«
»Was fällt dir eigentlich ein …«
»Denn sobald sie merkt, dass dir das Leben auf großem Fuße gefällt, dass du das Geld anderer Leute ausgibst und dann einen Abgang machst, sobald es ungemütlich wird, wird sie keine Sekunde zögern und nach einem anderem, einem Besseren Ausschau halten … Außer natürlich, sie ist wirklich treu, bis dass der Tod euch scheidet, aber mir scheint, sie hat genügend familiären Rückhalt, der ihr den rechten Weg weisen wird.«
»Hör auf!«
Doch Eleonore kam gerade erst in Fahrt. »Ich begreife es einfach nicht, Lorenzo! Warum ist sie mit dir zusammen? Wie hast du es geschafft, sie um den Finger zu wickeln, ihr glaubhaft zu machen, dass du einer der Guten wärst? Sie ist so unschuldig, und manchmal kommt sie mir vor, als wäre sie gerade erst aus einem Ei geschlüpft, und dann überrascht sie mich plötzlich mit ihrer Weisheit. Und du kommst hinterhergekrochen, Lorenzo. Es sagt jetzt
schon sehr viel über den Verlauf eures gemeinsamen Lebens aus. Du wirst dich abrackern müssen, um dieser Frau gerecht zu werden. Und wenn ich wetten würde, Lorenzo, wobei ich hoffe, keine Spielerin mehr zu sein, würde ich einen ziemlich großen Haufen Geld darauf setzen, dass du das keine zehn Minuten aushältst. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss mich um wahre und anständige Freunde kümmern!«
»Halt, halt, halt!«, rief Lorenzo und baute sich zwischen ihr und der Tür zur Küche auf. »Nicht so schnell! Ich lass nicht zu, dass du mir erzählst, was ich bin oder nicht, und wie mein Leben verlaufen wird!«
»Und warum nicht?«, fauchte Eleonore. »Was habe ich schon zu verlieren? Dich etwa?« Sie lachte laut auf. »Also wirklich, Lorenzo. Ich bin mir sicher, dass Julia eines Tages aufwachen und dir genau das ins Gesicht sagen wird: ›Lorenzo Landini, du bist eine Null!‹«
Erschöpft trat Eleonore ein paar Schritte zurück, an den Rand der Terrasse. Eine kühle Brise umwehte sie, und sie erschauderte. Doch sie fühlte sich frei, und ein neuartiges, erfrischend klares Gefühl umfing sie.
»Ich lasse mich nicht beleidigen«, bekräftigte Lorenzo noch einmal und marschierte erhobenen Hauptes zurück ins Haus.
»Und dabei dachte ich, dir gefällt das«, rief Eleonore ihm nach.
Kapitel 26
D ie Müdigkeit und zwei Gläser Cognac hatten Julia reichlich schwindlig gemacht. Nach dem Abendessen setzte sie sich auf das Sofa im Salon, drückte den Kopf in ein Seidenkissen und versuchte, den Gesprächen um sich herum zu folgen. Luc saß ihr gegenüber und starrte in sein Glas. Er wirkte, als sei er meilenweit von ihnen weg. Selbst Claude und Onkel Quinn waren nach dem üppigen Mahl sehr viel schweigsamer als zuvor. Vielleicht bildete Julia es sich auch nur ein, doch sie wurde das Gefühl nicht los, dass ihr Onkel sie merkwürdig ansah. Die Bouillabaisse war köstlich gewesen, und der Käse mit Salat im Anschluss gehörten ohne Zweifel zu dem Besten, was Julia jemals gegessen hatte. Luc und Marie-Louise hatten in der Zubereitung und Menüwahl ganze Arbeit geleistet.
Julia sinnierte darüber nach, wie Lucs Leben wohl verlaufen würde, wenn sich all die Aufregung gelegt hatte und die Beerdigung überstanden wäre, und er als Familienoberhaupt das Weingut übernehmen würde. Marie-Louise war gut für ihn, entschied Julia, auch wenn die Erinnerung an den Nachmittag in der Weinkammer ihr einen unangenehmen Stich versetzte.
War das wirklich alles passiert? Sie warf Luc heimlich einen Blick zu. Zweifelsohne
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