Mein bestes Stuck
von diesem köstlichen Cognac besorgen.« Und damit ergriff er den Cognacschwenker,
der auf seinem Nachttisch gestanden hatte, und schwebte an ihr vorbei zur Tür hinaus. Er würdigte Eleonore im Vorbeigehen keines Blickes.
»Eleonore«, ergriff Julia nun das Wort und lehnte sich ein bisschen zu ihr vor. »Der Verlust Ihres … deines Vaters – das tut mir wirklich entsetzlich leid. Es muss eine furchtbar schwere Zeit für dich sein.«
Damit hatte Eleonore nun wirklich nicht gerechnet. Nachdem sie allen Mut zusammengenommen hatte, um zu Julia zu gehen und die Taschen endlich ein für alle Mal auszutauschen, war Mitgefühl wirklich das Letzte, was sie von ihr erwartet hatte. Sie hatte Julia so schnell und so reibungslos begegnen und ihr möglichst aus dem Weg gehen wollen, ehe diese sie wegen der Ringe zur Rede stellen konnte.
»Danke«, sagte sie nun. »Ich glaube, ich habe es noch gar nicht richtig realisiert.«
Julia nickte mitfühlend. »Ich wage gar nicht, mir vorzustellen, wie du dich fühlst.«
»Leben deine Eltern noch?«
»Ja, sie sind quicklebendig.«
»Dann hast du großes Glück.«
»Ja, ich denke, das habe ich. Hier, die gehört dir.« Julia stand auf und gab die Tasche ihrer rechtmäßigen Besitzerin.
»Und die hier dir«, erwiderte Eleonore und machte den Tausch komplett. »Julia, wegen der Ringe …«
»Ist schon in Ordnung«, fiel Julia ihr ins Wort.
»Nein, ist es nicht!« Eleonore fühlte, wie sie errötete. Spielte diese … diese kleine schottische Frau mit dem Singsang
in der Stimme jetzt etwa die Gönnerhafte? »Ich habe etwas Schreckliches getan, und du hast jedes Recht, mir böse zu sein. Nichts an meinem Verhalten ist in Ordnung. Rein gar nichts. Also sag so etwas bitte nicht!«
Zornig blinzelte sie Julia an, die nun ein bisschen von ihr zurückgewichen war und ihre Tasche fest an sich drückte. Doch nach einigen Sekunden des Schweigens beruhigte sich Eleonore wieder. Julia wirkte so … ehrlich. War sie, Eleonore Deschanel, inzwischen wirklich derart paranoid, dass sie in jedem Wort Doppeldeutigkeit oder Falschzüngigkeit witterte?
Julia sah ihr nun direkt in die Augen. Ihr Ausdruck hatte sich verändert, und sie wirkte nun sehr viel entschlossener. »Gut, Eleonore, es ist nicht in Ordnung«, sagte sie schließlich. »Du hast Recht. Als ich die Verwechslung bemerkt habe, war ich furchtbar wütend. Du hast ja keine Ahnung, was Onkel Quinn und ich die letzten zwei Tage durchgemacht haben, und dann noch meine Hochzeit am Samstag …«
»Wie bitte?«, brach es aus Eleonore hervor. »Du heiratest diesen Samstag? «
Julia nickte wortlos und zuckte leicht mit den Schultern.
Eleonore lehnte sich vor, stützte das Kinn in die Hände und dachte fieberhaft nach.
Inzwischen fuhr Julia fort. »Onkel Quinn und ich sind hierhergekommen, weil wir angenommen hatten, es sei der einfachste Weg, um die Taschen möglichst schnell auszutauschen. Auf diese Weise hätte ich meine Ringe bis Samstag wiederbekommen und du … nun ja, das Testament
deines Vaters schien uns zu wertvoll, um es per Post zu schicken. Onkel Quinn hatte in der Zeitung gelesen, dass er verstorben ist, und so wussten wir auch von der Beerdigung, die am selben Tag stattfinden soll wie meine Hochzeit. Es schien uns einfach richtig, herzukommen.«
»Vielen Dank«, sagte Eleonore erneut. Und ganz plötzlich überkam sie eine Welle von Trauer und Schuldgefühlen. Sie hatte fast das Gefühl, ersticken zu müssen. Julia war … so echt und aufrichtig. Im Laufe der letzten Jahre hatte Eleonore diesen Typ Mensch völlig vergessen. »Das war wohl kaum der passende Dank, deine Ringe …«
»Eleonore, hör auf, dich so zu quälen. Du hast auch ohne mich und meine Ringe schon genug Sorgen. Luc hat versprochen, dass er die Ringe morgen für mich auslösen wird, das reicht mir voll und ganz. Was passiert ist, ist passiert, und nun ist es vorbei. Na ja, fast vorbei. Bitte – oh je, weinst du?«
Ja, das tat sie. Eine dicke Träne war auf ihre Jeans getropft. Julia nahm ein Taschentuch von der Frisierkommode, reichte es ihr und setzte sich dann wieder aufs Bett.
»Es ist wirklich nett, dass du das sagst«, schluchzte Eleonore nach einigen Minuten des Schweigens. »Aber mir ist völlig klar, dass ich etwas wirklich Schreckliches getan habe. Ich … ich konnte einfach nicht aufhören …«
Julia unterbrach sie. »Hey, wir alle tun ab und zu schlimme Dinge.«
Eleonore blinzelte die letzte Träne weg und starrte Julia an. Sie war so schön,
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