Mein bestes Stuck
Lorenzos Arm. Sie war sich nicht so sicher, ob Claude da Recht hatte.
Sie gaben ein buntes Grüppchen ab, wie sie so den Rasen entlang zum Schloss zurückmarschierten. Die Sonne ging langsam unter, und die Lichter vom Schloss her strahlten hell und einladend. Als sie sich der Flügeltür zum Salon hin näherten, konnte Julia Lucs Silhouette am Kamin wahrnehmen. Regungslos schaute er ihnen entgegen. Julias Herz schlug heftig.
Claude betrat als Erster den Raum, während die anderen hinter ihm herkamen.
»Luc, mein Lieber. Sie müssen uns wirklich für vollkommen und absolut übergeschnappt halten«, eröffnete Onkel Quinn das Gespräch.
Kühl starrte Luc seine Gäste an.
»Luc, stell dir vor!« Claudes Stimme klang aufgeregt, als wolle er ihm von einem sagenhaften Abenteuer berichten. Er setzte Luc über den verpassten Flug in Kenntnis.
»Würdet ihr uns die Freude machen, noch eine weitere
Nacht zu bleiben?« In seiner unantastbaren, tadellosen Höflichkeit hatte Luc seine Frage an Lorenzo gerichtet, der im Gegensatz zu Claude und Quinn absolut nüchtern war. Zu Julia sagte er: »Ihr seid herzlich willkommen.«
»Oh, Luc, das können wir nicht annehmen«, sagte sie leise. »Wir sollten dich wirklich nicht länger belagern.«
»Keine Widerrede«, sagte Luc bestimmt.
»Vielen Dank«, erwiderte Lorenzo. »Gibt es hier einen Computer mit Internetanschluss? Dann kümmere ich mich darum, unsere Flüge auf morgen umzubuchen.«
Julia blickte von einem zum anderen. Sie saß in der Falle. Schon wieder. Konnten die denn alle nicht sehen, dass sie wirklich dringend nach Hause musste, um … na ja, um Hochzeitsdinge zu regeln? Zwar hatte sie zum Teil Mitschuld an der Situation – wie konnte sie auch nur so die Zeit aus den Augen verlieren? Immerhin waren ihre Eltern die pünktlichsten Menschen der Welt!
Apropos Eltern … »Entschuldigt mich«, murmelte sie, »ich muss dringend zu Hause anrufen. Haltet euch schon mal die Ohren zu, das wird sicher lautstark. Und Luc …«
Sie schauten sich in die Augen.
»… vielen Dank.«
Unglücklicherweise war die Telefonverbindung zwischen Château Deschanel und Frean Hall glasklar.
»Liebes, das ist doch nicht dein Ernst!« Der entsetzte Aufschrei ihrer Mutter donnerte ihr wie erwartet durch die Leitung entgegen. »Was meinst du damit, ihr habt den Flug verpasst? Wie kann man denn so dusselig sein?«
»Ich weiß es doch auch nicht!« Mit ihrer freien Hand
fuhr Julia sich durchs Haar. Wenn sie genauer darüber nachdachte, schien es ihr geradezu unglaublich, dass sie ihren Zeitplan so völlig vergessen hatte. »Ich war schon abreisefertig, und dann, na ja, dann habe ich mich mit jemandem verquatscht, und dann haben wir auch noch Onkel Quinn verloren … Aber Lorenzo kümmert sich schon um die Flüge, und wir werden sofort die erste Maschine morgen früh nehmen.«
»Liebes, Lorenzos Eltern kommen schon morgen früh an!«
Das hatte Julia vollkommen vergessen.
»Eine reichlich seltsame Situation, wenn dein Vater und ich hier zwei völlig fremde Menschen unterhalten sollen, meinst du nicht?«
»Oh Mum, es tut mir wirklich leid! Aber die beiden sind wirklich zuckersüß, ehrlich! Sie werden euch überhaupt keine Probleme machen, und Renzo und ich kommen so schnell wie möglich nach.«
»Nun, wie dem auch sei … Aber was um alles in der Welt hat euch denn dort unten so lange aufgehalten? Ich dachte, du wolltest nur deine Ringe abholen und gleich zurückkommen! Habt ihr nicht nach der Hochzeit noch genügend Zeit für Trips in die Sonne?«
»Das ist jetzt alles zu kompliziert«, sagte Julia. »Hör zu, Mum, ich erzähl dir alles, sobald ich zurück bin, ja? Und die Ringe habe ich …«
»Und das Testament? Hast du es bei der Familie abgegeben?«
»Ja.« Es war merkwürdig, ihre Mutter »bei der Familie« sagen zu hören. Sie hatte keine Ahnung, wer Luc oder die
rätselhafte Eleonore waren. Für sie waren die Deschanels nur eine trauernde Familie, die bis Samstag eine Beerdigung zu arrangieren hatte, während in den vergangenen Tagen Julias gesamte Welt von »der Familie« auf den Kopf gestellt worden war.
»Liebling, merk dir nur eins: Selbst wenn du es nicht rechtzeitig schaffst, nach Hause zu kommen, wird die Hochzeitsfeier hier stattfinden. Zur Not eben ohne dich. Zu viel Essen ist bestellt, zu viele Leute sind eingeladen, und dein Vater wird sich diese Gelegenheit nicht – und ich betone nicht – entgehen lassen, seinen neuen Kilt zu tragen!«
Julia lachte.
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