Mein digitales Ich
verdeutlichen den wachsenden Trend rund um die digitale Selbstvermessung. Das eigene Verhalten, den eigenen Körper, letztendlich die persönliche Individualität in ein Produkt einfließen zu lassen, scheint zum Großteil ein marketinggetriebenes Unterfangen zu sein. Dessen Potenzial ist enorm. Unternehmen werden in Zukunft nicht nur darum bemüht sein, den persönlichen Wunsch eines Kunden zu erfüllen, sie werden zudem Dienste und Produkte perfekt auf die persönlichen Bedürfnisse und Körper der Kunden ausrichten können. Der Massenmarkt der Zukunft wird, so sieht es aus, zu einem hybriden Individualmarkt der Massen werden. Bereits heute werden uns personalisierte Suchergebnisse bei der Suchmaschine Google angezeigt. Je mehr kostenlose Dienste des Unternehmens wir in unserem Alltag nutzen, desto besser kann uns Google »vermessen« und »verstehen«. Google »weiß« immer besser, was uns gefällt oder gefallen könnte. Die Ambitionen des Unternehmens gehen sogar so weit, dass uns Dinge gezeigt werden sollen, von denen wir nicht einmal wissen, dass sie wichtig für uns sind. Die Strategie hinter »Google Now« lässt vermuten, dass die Zukunft der Suche ein allwissender, digitaler Assistent sein wird, der uns angeblich besser versteht, als wir es je selbst könnten. Google Now verknüpft bereits heute sämtliche Informationen des eigenen Google-Benutzerkontos und berechnet beispielsweise automatisch die Fahrtzeit zum Arbeitsplatz oder zeigt standortbezogene Wetterinformationen an, ohne dass der Nutzer danach suchen muss.
Auch die Herangehensweise von Facebook lässt sich auf Körperdaten übertragen. Bisher spielt die soziale Verbindung die größte Rolle bei Facebook. Das Unternehmen verfolgt die These, dass Nutzer Informationen besonders dann als wertvoll und überzeugend ansehen, wenn sie aus dem eigenen Freundes- oder Bekanntenkreis kommen. Die Peergroup, vereinfacht gesagt: der persönliche Freundeskreis, ist maßgebend für unser individuelles Verhalten, da wir uns daran orientieren, was unsere Freunde machen, so die These. Der sogenannte Social Graph, die Summe meiner Vernetzungsdaten, lässt sich auch ohne weiteres mit Körperdaten erweitern. So könnten Einfluss und Bindung noch stärker werden. Diese sozial- und körperdatenbetonte Personalisierungsthese lässt sich ohne Weiteres auch auf andere Bereiche des Marktes übertragen. Die genaue Vermessung des Körpers eröffnet beispielsweise völlig neue Produktionsmöglichkeiten. Kleidergrößen in groben Kategorien gehören vielleicht bald der Vergangenheit an. »Produce On Demand« könnte die auf Körperdaten basierende Fertigung der Zukunft heißen. Das würde den Unternehmen, der Umwelt und der Gesellschaft nicht nur Ressourcen sparen, sondern auch Vorteile für jeden einzelnen Kunden bringen. So wie man heute auf Knopfdruck per Print On Demand Bücher bestellen kann, lassen sich auch Hosen, Jacken und T-Shirts herstellen. Die Voraussetzung dafür sind entsprechende Datenbanken, in denen die genauen Körpermaße der Kunden hinterlegt sind. Auch Mediziner und Ärzte könnten dank genauerer Daten Fortschritte machen und Patienten individuell behandeln und eine entsprechend personalisierte Vorsorge leisten. In Kapitel sechs gehen wir näher darauf ein. Umgekehrt bedeutet das natürlich, dass die sogenannte Filter Bubble noch wichtiger und mächtiger wird. Der Begriff der Filter- oder Informationsblase geht auf den Internetaktivisten Eli Pariser zurück, der in seinem gleichnamigen Buch darlegt, dass immer mehr Webdienste Algorithmen zur persönlichen Vermessung verwenden, um vorhersagen zu können, welche Informationen für Nutzer tatsächlich relevant sind. Dadurch entsteht eine eingeschränkte, vorsortierte Sicht auf die Welt, die zwar individuell zugeschnitten, aber auch isolierend sein kann. Der Diskussionsstoff rund um das Thema digitale Selbstvermessung ist demnach unerschöpflich. Wie ändert diese Entwicklung die Perspektive auf Privatsphäre und Datenschutz? Wem gehörendie Daten, die zwar ihren Ursprung im individuellen Körper haben, aber mit Diensten und Technologien von Unternehmen digitalisiert, analysiert und gespeichert werden? Ein Blick in die Medien zeigt bereits heute eine gewisse gesellschaftliche Spaltung zwischen Befürwortern und Kritikern dieser neuen Phase der vernetzten Entwicklung des Menschen.
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