Mein Freund, der Mörder Kommissar Morry
der beste Arzt nicht mehr helfen.“ Mara Revell wiandte sich gepeinigt ab. Sie konnte die Blutflecken und die verkrallten Hände des Toten nicht länger sehen.
„Wir müssen die Polizei rufen“, sagte sie hilflos. „Ganz gleich, was mit uns geschieht. Bei John Dallas hatten wir noch einmal Glück. Aber diesmal geht es nicht mehr. Irgend jemand scheint unseren Untergang beschlossen zu haben. Er mordet anscheinend nur, um uns mit einem tödlichen Verdacht zu belasten.“
„Das ist doch Unsinn!“ murmelte Ray Mortimer mit erloschener Stimme. „Es wäre für den Mörder viel leichter gewesen, uns selbst ins Jenseits zu befördern. Wir wissen nicht, welche Absichten ihn zu dieser schrecklichen Tat. . .“
Er unterbrach sich mitten im Wort. Ein Geräusch am Schleusenkanal hatte ihn stutzig gemacht. Argwöhnisch bohrten sich seine Blicke in die Finsternis.
„Da ist doch jemand“, flüsterte er heiser.
Ja, auch Mara Revell hatte den Schatten erkannt. Sie drängte sich furchtsam an Ray Mortimer heran. Ihre Hände krallten sich um seinen Arm. Ihr Herz hämmerte so laut, daß sie glaubte, jeder müßte es hören.
„Wer ist das?“ fragte sie mit zuckenden Lippen.
Zwei, drei Sekunden verstrichen in erstickendem Schweigern. Dann erkannte sie den Mann. Es war Kommissar Morry von Scotland Yard. Seine schlanke Gestalt schälte sich dunkel aus dem Regen. Sein schmales markantes Gesicht wirkte ernst und verschlossen.
„Was geht hier vor?“ erkundigte er sich wachsam.
Ray Mortimer erklärte stockend den Sachverhalt. „Wir wurden durch einen Schuß geweckt“, murmelte er. „Das war vor etwa fünf Minuten, Sir! Wir begaben uns auf die Straße und entdeckten den Toten so, wie er hier vor Ihnen liegt.“
Kommissar Morry blendete seine Stablampe auf und ließ den Lichtkegel über die stumme Gestalt wandern. Das wächserne Gesicht war verzerrt in Angst und Todeskampf. Die aufgeworfenen Lippen waren halb geöffnet. Sie hatten sich nach dem Hilfeschrei nicht mehr geschlossen.
„Was wollte Rex Coombe hier bei Ihnen?“ fragte der Kommissar gespannt.
Mara Revell suchte krampfhaft nach einer Ausrede. Aber Ray Mortimer entschied sich für die Wahrheit. „Er sollte uns bewachen, Sir! Sam Lupin schickte ihn hierher. Er glaubte, wir wären für den Tod John Dallas verantwortlich.“
„Für seinen Tod?“ fragte Morry gedehnt. „Ist es denn sicher, daß er tot ist?“
„Ich glaube schon“, meinte Ray Mortimer zögernd. „Auch seine Freunde nehmen es an. Wir trafen uns gestern Abend mit ihnen in der Sodom Bar am Wenlock Basin.“
Kommissar Morry knipste mit hartem Ruck seine Lampe aus. „Sie sind ein seltsamer Mensch, Mr. Mortimer“, sagte er kopfschüttelnd. „Warum sind Sie denn wieder nicht in den Yard gekommen? Sie könnten doch alles viel einfacher haben. Wir würden Ihnen Arbeit und eine anständige Unterkunft verschaffen. Sie könnten irgendwo in Frieden und Sicherheit leben. Statt dessen bageben Sie sich in einen Kreis von Leuten, die längst Ihren Untergang beschlossen haben. Den Mord an Rex Coombe wird man sicher Ihnen in die Schuhe schieben. Es sieht ja auch wirklich so aus, als wollten Sie sich nacheinander alle Feinde vom Halse schaffen. Zuerst John Dallas, jetzt Rex Coombe und dann auch die anderen.“
„Sie tun ihm unrecht, Sir“, warf Mara Revell hastig ein. „Er schlief in seinem Zimmer, als der Schuß fiel. Ich kann das beschwören. Er ist völlig unschuldig.“
„Schon gut“, murmelte Morry zerstreut. „Wir reden später noch darüber. Jetzt gibt es Wichtigeres zu tun. Ich werde sofort die Mordkommission alarmieren. Bleiben Sie einstweilen hier. Man wird verschiedene Fragen an Sie richten. Sagen Sie dann bitte die reine Wahrheit!“
Nach diesen Ermahnungen entfernte er sich mit raschen Schritten. Von der nächsten Telephonzelle aus benachrichtigte er die Überfallbereitschaft im Yard. Anschließend kehrte er nur noch für ein paar Minuten an den Tatort zurück, um die Polizeilimousine durch die enge Gasse zu schleusen. Als das geschehen war, ließ er die Beamten allein. Sie bedurften keiner Aufsicht. Er bestieg am Hafenplatz seinen Dienstwagen und fuhr in das Stadtviertel Hoxton hinüber. Vor dem Wenlock Basin hielt er an. Zur Linken lag die Sodom Bar. Sie war noch hell erleuchtet. Durch die geschlossenen Fenster klangen die dünnen Melodien einer Harmonika. Dazwischen mischte sich schrilles Frauenlachen.
Morry betrat das Gebäude durch den Vordereingang, durchschritt die Barstube
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