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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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Mr. H wurde eine Überwachungskamera installiert, damit sie an ihrer Dienststelle stets kontrollieren konnte, dass ich artig blieb. Es war mir weiterhin nicht erlaubt zu telefonieren, und mindestens einmal am Tag hatte ich mich bei Mr. H zu melden. Dennoch blieb es ein Fortschritt, und ich hatte das Gefühl, wieder besseren Zeiten entgegenzusehen. Ich gewann viele neue Freunde.
    Meine Post wanderte ebenfalls direkt zu Mr. H. Eines Tages erwähnte sie beiläufig Briefe von meinen Freunden an mich, woraufhin ich sie fragte, ob denn welche eingetroffen wären. Zu meiner Bestürzung bejahte sie. Seit Monaten schon hatten viele meiner Freunde Briefe geschickt, darunter auch Martino. Sie habe mir die Schreiben nicht aushändigen können, da sie zum Teil unangebrachte Bemerkungen über Vorgesetzte enthielten. Alle Briefe seien an die Ethik weitergereicht worden. Ich war erbost. Über Monate hinweg hatten meine Freunde mir geschrieben, und ich hatte es nicht einmal erfahren. Womöglich waren sie jetzt der Meinung, ich hätte ihre Briefe gar nicht beachtet oder – noch schlimmer – hätte sie selbst der Ethik gemeldet.
    Als ich von den Briefen meiner alten Freunde erfuhr, hoffte ich wieder, doch einen Weg auf die Flag zurück zu finden, doch ich erkannte schnell, wie illusorisch diese Vorstellung war. Und aller Wahrscheinlichkeit nach würde auch keiner meine Flagfreunde jemals hierhin überstellt werden. Ich schrieb jedem Einzelnen, obwohl ich gar nicht wusste, wer genau mir geschrieben hatte. Alle Briefe wurden von Mr. H gegengelesen, daher war ich sehr eingeschränkt in dem, was ich sagen konnte.
    Martino antwortete mir ein paarmal. Nachdem er wegen vorangegangener Briefe, die ich nie hatte lesen dürfen, offenbar in Schwierigkeiten geraten war, achtete er jetzt mehr auf den Inhalt seiner Briefe. Seinen Berichten zufolge ging es ihm richtig gut auf der Flag. Er hatte sogar wieder Kontakt zu seinem lange verschollenen Vater und entdeckt, wie ähnlich sie einander doch waren und wie cool es war, ihn besser kennenzulernen. Martino fand ganz unverkennbar immer größeren Gefallen an Scientology und daran, der Sea Org anzugehören. Er berichtete sogar, Auditing-Sitzungen absolviert zu haben. Er schickte Fotos und schrieb, wie sehr er mich vermisste. Ich vermisste ihn ebenfalls, aber aufgrund der Entfernung schien eine Wiederbelebung dieser Gefühle schwieriger zu sein als je zuvor. Daher blieben meine Briefe locker und zwanglos. Wir würden niemals zusammen sein, diese Überzeugung verfestigte sich bei mir mehr und mehr. Es war einfach nicht machbar.

KAPITEL 24
Dallas
    Dallas Hill sah ich zum ersten Mal, als ich mit einer Freundin aus der Kantine kam. Es sprühten nicht sofort die Funken oder so etwas, eigentlich fiel er mir eher wegen seines guten Aussehens auf. Er war nicht so dunkel und geheimnisvoll wie Martino, eher auf eine jungenhafte Art attraktiv. Er blickte mich im Vorbeigehen kurz an, und ich lächelte ihm zu. Weiter reichte unsere erste Begegnung nicht.
    Später traf ich ihn ein paarmal auf dem Gang, wenn er in Mr. Hs Büro im fünften Stock etwas abzugeben hatte, kannte aber noch immer nicht einmal seinen Namen.
    »Hi, Sir«, grüßte er mich dann so, wie jemand aus der CMO gegrüßt werden musste.
    »Hi«, erwiderte ich und lächelte zurück.
    Mit »Sir« angeredet zu werden, war mir immer ein wenig peinlich. Da mein Status als Ranghöhere anerkannt werden musste, konnte ich die Leute aber auch nicht darum bitten, auf das Sir zu verzichten. Also beschloss ich, jedem mit einem Lächeln und einem freundlichen Hallo zu antworten, der mich grüßte. Eines Tages würde ich gewiss wieder einmal in ernsten Schwierigkeiten stecken, und dann hätten sie vielleicht Mitleid mit mir, weil ich immer nett zu ihnen gewesen war.
    Keinen Monat nach meinem ersten Zusammentreffen mit Dallas vor der Kantine kontrollierte ich die Eingänge in meiner Ablage und fand ein Goldenrod , in dem gerichtliche Maßnahmen gegen ein Kirchenmitglied angekündigt wurden, dessen Name mir nichts sagte. Goldenrods wurden gewöhnlich verfasst, wenn jemand in seinem Job Mist gebaut oder sonst etwas getan hatte, was aus Sicht der Church verwerflich war, und nun ein Exempel an ihm statuiert werden sollte. Eingang fanden nur persönliche Dinge, die als unethisch gewertet wurden. Das konnte alles Mögliche sein, vom Stehlen bis zur Beeinflussbarkeit durch Außenstehende, also der Annahme von Geschenken oder familiärer Unterstützung ohne Gegenleistung.

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