Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
sogar einen Teil seiner Gehaltsrückstände aus und versprach, dass sie künftig ohne jede Einschränkung mit mir kommunizieren könnten.
All das wusste ich damals nicht, als ich von Mr. Rathbun und Mr. Rinder meine letzten Instruktionen erhielt. Maddie würde mich am nächsten Morgen im Empfangsbereich des HGB erwarten und mich an diesem Tag fahren. Ich solle Zivilkleidung tragen, keine Uniform. Nach dem Treffen würden wir wieder zusammenkommen, um zu hören, wie es gelaufen sei.
Mr. Rathbun lächelte, als er mit Mr. Rinder den Raum verließ. In solchen Augenblicken hatte ich das Gefühl, ihm im Grunde leid zu tun. Bei unseren Begegnungen kam es mir immer so vor, dass ihn nur seine persönliche Lage und sein Posten dazu zwangen, sich auf gewisse Weise zu verhalten und bestimmte Dinge zu tun, und dass er in seinem tiefsten Innern viel menschlicher war und mich durchaus mochte. Während seine Frau es regelrecht zu genießen schien, mich zu ärgern, zeigte er heimlich sein Mitgefühl. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, aber meiner Ansicht nach belastete viele oberste Führungskräfte der ständige Druck, das zu tun, was mein Onkel von ihnen verlangte.
An diesem Abend musterte ich auf dem Heimweg all die anderen Sea Org-Mitglieder, die in dem vollbesetzten Bus mitfuhren. In den wenigen Monaten, die ich inzwischen in L. A. lebte, hatten mich zahlreiche, mir vollkommen unbekannte Sea Org-Leute einfach so angesprochen, um mir zu erzählen, dass sie einst mit meinem Vater oder meiner Mutter zusammengearbeitet hatten und wie sehr sie sie bewunderten. Ich fragte mich, was diese Menschen wohl denken würden, wenn sie wüssten, dass Ronnie und Bitty Miscavige die Sea Org längst verlassen hatten und jetzt in Mexiko wohnten und dort mit Immobilien handelten. Es wäre bekannt geworden, dass es einen Riss in den obersten Rängen der Kirche gab. Viele Mitarbeiter mochten meine Eltern. Die Nachricht von ihrem Austritt aus der Sea Org hätte für Aufregung und Gerede gesorgt, vielleicht sogar zu heimlichen Spekulationen über ein Zerwürfnis mit meinem Onkel geführt. Deshalb musste ich auch um jeden Preis Stillschweigen bewahren. Nach dem Erlebnis mit Molly war mir nur zu sehr bewusst, dass ich mit keiner Menschenseele über die Verabredung mit meinen Eltern am nächsten Tag reden durfte.
Am Morgen war Maddie pünktlich zur Stelle und brachte mich zum Hotel am Flughafen. Der Wagen hatte noch nicht angehalten, da sah ich meine Mom schon mit breitem Lächeln auf uns zukommen. Es war unübersehbar, dass sie und Dad eine Menge auf sich genommen hatten, um dieses Wiedersehen möglich zu machen. Maddie reichte mir ein Handy. »Das steht dir heute zur Verfügung. Mit dieser Taste kannst du mich anrufen, wenn du abgeholt werden möchtest.« Als autorisierte Besitzerin eines sonst verbotenen Handys kam ich mir für einen Moment ungeheuer seriös und erwachsen vor.
Ich stieg aus dem Wagen und musste lächeln. Wenn jemand offensichtlich so überglücklich ist, dich zu sehen, dann kannst du gar nicht anders, als dich zu freuen. Mom drückte mich fest an sich, und ich erwiderte die Umarmung. Mir war unwohl, dass Maddie mich dabei beobachtete, wie ich eine SP umarmte, aber als ich mich umdrehte, lächelte sie nur und winkte auch meiner Mom freundlich zu. Meine Mom winkte zurück und führte mich ins Hotel.
Der Tag mit meinen Eltern verlief super. Sie waren sichtbar gealtert, machten dabei aber den Eindruck, dass es ihnen gut ging. Natürlich wussten sie, welche Themen sie vermeiden und wie sie etwas formulieren mussten. So sprachen wir zum Beispiel kein einziges Wort über die Church. Den Vormittag verbrachten wir mit Shopping auf dem Universal CityWalk. Zeitweise schämte ich mich dafür, mich so gut zu amüsieren. Dass sie SP s waren, machte die Sache besonders schräg, aber es fiel mir schwer, sie als solche zu betrachten.
Zu keinem Moment versuchten Mom und Dad mich zu überreden, die Sea Org zu verlassen und zu ihnen zu ziehen. Sie stellten mir tatsächlich überhaupt keine Fragen über die Church. Hätten sie gefragt oder mich zu etwas gedrängt, wäre ich sofort auf Konfrontationskurs gegangen. Damit hätten sie mir nur die nötige Rechtfertigung gegeben, mich endgültig von ihnen loszusagen, und das wussten sie genau. Meine Eltern zweifelten nicht daran, dass es meine Entscheidung gewesen war, in der Sea Org zu bleiben, aber ihnen war auch klar, dass man mich einer Gehirnwäsche unterzogen hatte. Und das Letzte, was
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