Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
ich würde zu oft Pausen machen. Der gesamte Reinigungs-Rundown dauerte mehrere Wochen, und am Ende wollte ich nur noch, dass es aufhörte. Mein junger Körper kam einfach nicht mit so hohen Temperaturen zurecht.
Die Reinigung konnte wegen all der Vitamine und der Hitze eine echte Qual sein, aber während der stundenlangen Sitzungen in der Sauna durfte man sich mit anderen unterhalten, sein Lieblingsbuch lesen oder sogar Brettspiele spielen, was viel lustiger und aufregender war, als zu lernen. Jetzt war jedoch das Wichtigste, dass ich dabei meinen Bruder sehen konnte.
Ich versuchte, mit allen Mitteln in den Reinigungs-Rundown zu kommen. Ich gestand, dass ich bei meiner Reinigung auf der Ranch einen Großteil der Vitamine nicht genommen hatte. Ich sagte, ich wüsste nicht, ob ich die Endphenomena erreicht hätte, und erwähnte, ich hätte danach Nasenbluten gehabt, was darauf hindeutete, dass die Reinigung nicht erfolgreich gewesen war. Als mein Fallbetreuer das hörte, gestattete er mir den nächsten Schritt, und ich fing fast unverzüglich damit an.
Leider war alles vergeblich. Ich hatte den Reinigungs-Rundown nur wegen Justin noch einmal auf mich genommen, aber ein paar Tage später erfuhr ich, dass alle in der RPF ihren Reinigungs-Rundown nachts vollziehen mussten. Der Schuss war nach hinten losgegangen, und wie beim ersten Mal fand ich die Sauna viel zu heiß. Ich machte häufig Pause oder legte mich auf den Boden, wo es kühler war. Das Schlimmste jedoch war die halbe Stunde Rennen vor der Sauna. Glücklicherweise war Lisa Marie Presley zur gleichen Zeit im Reinigungs-Rundown, daher wurde meine Laufzeit oft abgekürzt. Denn wenn sie im Fitness-Studio war, durfte niemand sonst dort sein. Sie rannte auf dem Laufband und hörte dabei Madonna.
Ich hatte Lisa Marie zwar noch nie zuvor gesehen, wusste aber wie die meisten Scientologen, dass sie Mitglied der Kirche war. Sie erschien in vielen scientologischen Werbefilmen, und einige ihrer Projekte wurden bei kirchlichen Events angekündigt. Das Celebrity Center gab sogar eine Zeitschrift heraus, in der oft Erfolgsstorys und Glaubensbekenntnisse von Prominenten abgedruckt wurden. Jeder Prominente hatte einen Decknamen, der auf ihren Preclear-Akten stand, damit ihre Privatsphäre geschützt blieb. Lisa Marie hieß »Norma« oder »Norma Darling«. Ich nahm an, die Decknamen sollten verhindern, dass jemand herumschnüffelte oder die Akten in falsche Hände gerieten.
Im Reinigungs-Rundown hatte Lisa Marie eine Sauna für sich allein, während sich fünf oder sechs Personen die andere teilen mussten. Manchmal sah ich sie auf dem Flur oder beim Betreten oder Verlassen der Sauna. Sie war schüchtern, aber freundlich. Sie hatte irgendwo meinen Namen gesehen und fragte mich, ob ich etwas mit David Miscavige zu tun hätte. Ich erzählte ihr, ich sei seine Nichte. Von da an grüßte sie mich immer.
Als ich eines Nachmittags mit meinen Saunagängen fertig war, kam Anne Rathbun zu mir, die mittlerweile die leitende Abgeordnete des RTC war. Sie erzählte mir, dass mein Bruder die Sea Org verlassen wollte, und bat mich, ihm das auszureden. Ich erklärte mich bereit, Justin in den Sicherheitsbüros zu treffen, die sich in der Garage des Fort Harrison Hotels befanden. Es waren kleine Räume mit Überwachungskameras, die alles aufzeichneten, was besprochen wurde.
Von Anfang an fühlte ich mich unbehaglich. Ich versuchte, Justin zum Bleiben zu überreden, fand es aber sehr unangenehm zu wissen, dass alles, was wir besprachen, aufgezeichnet wurde. Ich hatte ihn seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen und wollte einfach nur normal mit ihm reden. Doch wenn wir uns in einem dieser Räume befanden (und sogar, wenn wir davorstanden), weigerte Justin sich schlichtweg, mit mir über die Sea Org zu sprechen. Er wusste genau wie ich, dass wir gefilmt wurden. Ich merkte, dass er wirklich verstört war, weil er normalerweise immer eine fröhliche Miene aufsetzte. Aber diesmal nicht.
Es verwirrte mich auch, dass er plötzlich Justin Tompkins genannt werden sollte und nicht mehr Justin Miscavige. Mein Dad hatte meine Mom geheiratet, als Justin zwei war, und von da an war auch sein Nachname Miscavige gewesen. Ich fragte Mr. Rathbun nach dem Grund, und sie meinte, es wäre wegen der PR : Es sollte niemand in der Church erfahren, dass ein Miscavige in der RPF war oder sogar gehen wollte. Mr. Rathbun verbot mir auch, mit irgendjemandem über Justin zu sprechen.
Alles wurde nur noch schlimmer,
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