Mein geliebter Ritter
Augen und Ohren verschließen, wenn sie mich holen«, sagte sie. »Was auch immer sie mir antun, sie haben nicht vor, mich zu töten.«
»Sir James wird kommen«, flüsterte er. »Ich weiß es.«
»Deshalb musst du abwarten, ganz egal, was sie anstellen. Riskiere nicht, deine Chance auf Gegenwehr zu verschwenden, bevor Jamie eintrifft … es sei denn, sie kommen, um dich zu holen.«
Sie starrte ihm in die Augen, bis er widerstrebend nickte.
Der Gesang wurde lauter und dröhnte in ihrem Kopf, während sie fieberhaft an den Knoten arbeitete.
»Göttin! Göttin! Göttin!«
Der Singsang jagte Schauer des Entsetzens durch die angespannten Nerven ihres Körpers. Bald würden sie kommen und sie holen.
Endlich! Der erste Knoten löste sich, und sie fing mit ihrer Arbeit am zweiten an. Beinahe hatte sie ihn entwirrt, als Martin zwischen den Zähnen zischte: »Lady Linnet!«
Gerade noch rechtzeitig hielt sie die Hände ruhig und schloss die Augen. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, als in Tierhäute gewickelte Arme nach ihr griffen. Sie stöhnte und ließ ihren Kopf zur Seite rollen, als zwei Männer in stinkenden Fellen sie hochhoben.
»Göttin! Göttin! Göttin!«
Warum um alles in der Welt hielten sie sie für eine Göttin?
Die Oberseiten ihrer bloßen Füße schleiften über den rauen, unbefestigten Boden, als sie sie in die Mitte des Kreises zerrten. Um sie herum riefen die Stimmen: »Göttin! Göttin! Göttin!«
Linnet erwachte benommen auf dem Tisch inmitten des Kreises. Sie lag auf dem Rücken. Sie mussten das Tuch wieder an ihr Gesicht gedrückt haben. Sie mühte sich, ihre Erschöpfung abzuschütteln und sich aufzurichten, doch ihre Hände waren an den Tisch gebunden. Als sie versuchte, ihre Beine zu bewegen, stellte sie fest, dass auch sie gefesselt waren, sodass sie die Knie spreizte.
Ein kalter Luftzug berührte ihre Haut …
Das konnte nicht sein. Sie blinzelte und erblickte ihre eigene nackte Brust, deren Brustwarzen sich in der Kälte aufgerichtet hatten. Sie schloss die Augen.
Die heilige Jungfrau stehe ihr bei. Sie war nackt. Niemals hatte sie sich so verletzlich gefühlt. Selbst als sie und François noch Kinder gewesen und von einfachen Soldaten in einem leeren Haus in die Enge getrieben worden waren, hatte sie sich nicht so hilflos gefühlt. Oder so schrecklich allein.
Sie bemühte sich, keine Miene zu verziehen, obwohl sie vor Verzweiflung jammern und weinen wollte. Unter gesenkten Wimpern hervor beobachtete sie Pomeroy dabei, wie er die Schüssel aus dem dampfenden Kessel auf dem Kohlefeuer füllte. Die anderen tanzten wieder ihren wilden Kreistanz, und ihre unheimlichen Schatten spielten auf den höhlenartigen Wänden hinter ihnen. Der Gesang erfüllte ihren Kopf und hämmerte durch ihre Adern.
Gott gebe ihr Kraft! Sie erinnerte sich nur zu gut an den Rest des Rituals. Sie sah genau vor sich, was der Wolfsmann mit Margery gemacht hatte, während sie auf dem Altartisch gelegen hatte. Doch Margery hatte freiwillig an dem Spiel teilgenommen.
Pomeroy drehte sich um und hob die Schüssel hoch über seinen Kopf. Als er auf sie zuging, wallte Panik in ihrer Brust auf und schoss durch ihre Glieder. Er kam neben ihr zum Stehen. Seine brennenden Augen versengten ihre Haut, während er jede intime Kurve und Linie ihres Körpers erfasste.
Ich bin stark genug, um das zu überleben. Ich werde überleben, denn Jamie kommt. Ich schaffe das!
Es war zu spät, sie vor Pomeroys grauenhaftem Ritual zu retten, deshalb widmete sie ihre Gebete Martin. Bitte, Gott, lass Jamie kommen, bevor sie den Jungen töten.
Pomeroy stellte die warme Holzschüssel auf ihrem Bauch ab, dann trat er an das Fußende des Tisches. Gefesselt wie sie war, konnte sie sich nicht gegen ihn wehren. Sie hob den Blick, um ihn anzusehen und ihm den Abscheu in ihren Augen zu zeigen.
»Ich verfluche dich hierfür«, stieß sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
»Du sollst wissen, wer dich schändet«, sagte Pomeroy mit lauter werdender Stimme. »Wer dich mit dem Geist eines Dämons erfüllt. Wer dich vor dem Angesicht des mächtigen Luzifer persönlich freit.«
Die anderen im Raum keuchten auf, als der Wolfsmann seine Maske abzog und durch den Raum warf. Aber Linnet hatte die ganze Zeit gewusst, wer der Wolfsmann war.
Sir Guy Pomeroy. Der verrückt geworden war.
Die Hexen nahmen ihren Gesang wieder auf. Während der Singsang immer lauter wurde, fing Linnet an zu zittern. Nein, sie konnte das nicht ertragen.
Pomeroy
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