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Mein glaeserner Bauch

Mein glaeserner Bauch

Titel: Mein glaeserner Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Hey
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leben mussten.
    Was ist mit mir passiert damals, dass ich meinen Kopf nicht mehr gebrauchen konnte und meine Gefühle mir nicht halfen, Widerstand zu leisten? Auch Klaus war wie versteinert.

    Es gibt, wie ich inzwischen herausgefunden habe, ein Recht auf unterstützende, ergebnisoffene Beratung bei Schwangerschaftskonflikten. Und es wäre sicher hilfreich gewesen, spätestens jetzt mit einer neutralen Person zu sprechen. Einer Person, die sich mit den entsetzlichen Abgründen meiner Situation auskannte. Und die bereit und fähig gewesen wäre, zur Klärung und vielleicht auch zur Bewältigung beizutragen.
    Aber ich wusste nichts davon. Wusste nicht, dass es einen Ort außerhalb der medizinischen Praxis gab, der mir in meiner Verzweiflung offengestanden hätte. Wo ich hätte Kraft schöpfen können, und wo ich ohne Druck vielleicht aus der Erstarrung herausgefunden hätte. Eine Erstarrung, in die ich durch die Diagnose, aber auch durch die Haltung der beiden Mediziner geraten war.
    Natürlich hatte ich früher schon von der sogenannten Beratungsregelung gehört, allerdings nur im Hinblick auf den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft. Nach der aktuellen Gesetzeslage bleibt eine Abtreibung straflos, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis von einem Arzt abgebrochen wird, weil die schwangere Frau den Abbruch verlangt. Allerdings muss sie dem Arzt gegenüber mit der Bescheinigung einer anerkannten Beratungsstelle nachweisen können, dass sie dort an einer Pflichtberatung teilgenommen hat. Siebenundneunzig Prozent aller Abtreibungen werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf der Grundlage dieses Verfahrens durchgeführt.
    In der Berichterstattung zu dieser Beratungsregelung wird meistens besonders herausgestellt, dass die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung mindestens drei Tage zurückliegen muss. Für die einen galt dies immer als unzulässige Bevormundung von Frauen. Für die anderen als Mindestanforderung zum Schutz des Ungeborenen. Als würden Frauen sonst auf die Schnelle abtreiben wollen.
    Dass psychosoziale Beratungsstellen weit umfassendere Angebote machen, als nur der Beratungsregelung bei ungewollter Schwangerschaft Rechnung zu tragen, war mir nicht klar. Ich war ja auch nicht ungewollt schwanger. Und hatte den Ort der Beratungspflicht in meiner Not nicht als Schutzraum für mich und mein Kind erkannt.
    Anscheinend haben weder meine Gynäkologin noch der Arzt, der die Chorionzottenbiopsie durchführte, meine Bestürzung und mein Zögern, ihrem medizinischen Rat zu folgen, ernst genommen. Jedenfalls sind sie beide nicht auf die Idee gekommen, mich auf mögliche Unterstützung durch Menschen in einer Beratungsstelle hinzuweisen. Auf die Chancen einfühlsamer Begleitung in dieser extrem schwierigen Lebenslage. Auf mein Recht, Zeit und Raum für die Suche nach einer Lösung zu bekommen. Selbst wenn es nach den Befunden der Ärzte nichts gab, was Leon hätte gesund machen können.
    Es ist sicher illusorisch zu hoffen, im Alltag einer gynäkologischen Praxis angemessene seelische Unterstützung in einer solchen Krise zu erhalten, zumal unter den herrschenden zeitlichen und ökonomischen Zwängen im Medizinbetrieb. Darum verwundert es mich umso mehr, dass sogar im Berufsverband der Frauenärzte die Angebote psychosozialer Beratungsstellen wohl eher gering geschätzt werden.
    »Wir Gynäkologen machen ja selbst psychosomatische Beratung, wir sind dafür ausgebildet«, betont der Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte Klaus König in einem Interview zur Pränataldiagnostik. »Wir haben das in der Weiterbildungsordnung stehen. Für die Schwangerenbetreuung und auch um über den Fehlbildungsultraschall aufzuklären brauchen wir keine externen Beratungsstellen.« Und dann räumt er ein: »Sie können, wenn Sie sich das nicht zutrauen, natürlich jemand hinzuziehen, aber ob er oder sie das inhaltlich gut darstellen kann, ist eine andere Frage.« 47
    Es wäre demnach also ein Eingeständnis von Unfähigkeit, wenn ein Gynäkologe die Konfliktberatung an andere Fachkräfte delegiert. Und obendrein bezweifelt Klaus König sogar die zu erwartende Qualität einer solchen Beratung und damit die fachliche Kompetenz nicht-medizinischer Beratungskräfte.
    Das scheint mir nicht die geeignete Haltung zu sein, um betroffene Paare von der Nützlichkeit psychosozialer Beratung überzeugen zu können. Es gibt zwar inzwischen eine gesetzlich noch deutlicher

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