Mein glaeserner Bauch
alledem zumuten. Will wenigstens ihn schützen vor dem Grauen. Mir kann sowieso keiner mehr helfen.
»Klaus ist der Vater, du darfst ihn nicht ausschließen!«, hatte mein Bruder gewarnt.
Wir umarmen uns schweigend.
Wieder werde ich zum Ultraschall geschickt. Eine letzte Überprüfung? Dieses Mal schallt ein junger Arzt der klinikeigenen Ultraschallabteilung. Auch er sieht Ödeme. Ich hingegen sehe, wie mein Kind seine perfekte kleine Hand mit gespreizten Fingern weit nach oben reckt, wie zum Gruß.
Das Bild lässt mich nicht mehr los, auch als der Arzt nach der Untersuchung mit mir spricht. Erst als er mir ein Formular zur Unterschrift vorlegt, wird meine Aufmerksamkeit durch eine merkwürdige Formulierung geweckt. Ich soll bestätigen, dass das Leben mit einem behinderten Kind für mich, unter Berücksichtigung meiner gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse, unzumutbar sei.
Was soll das heißen?
» Reine Formsache«, versucht er mich zu beruhigen.
Tief verstört verlasse ich die Ultraschallabteilung.
Nach Paragraph 218 des Strafgesetzbuches ist in Deutschland der Abbruch einer unerwünschten Schwangerschaft zwar rechtswidrig, bleibt aber bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei, wenn die Frau an einer Schwangerschaftskonfliktberatung teilgenommen hat. Hinzu kommt die gesetzliche Verpflichtung, nach der Beratung eine dreitägige Bedenkzeit einzuhalten.
Für die Abtreibung eines behinderten Kindes sieht die Rechtslage anders aus. Da bis zur Feststellung der Behinderung die zwölfte Schwangerschaftswoche normalerweise überschritten wird, ist die sogenannte Fristenlösung hier nicht anwendbar.
Gleichzeitig gibt es auch die sogenannte embryopathische Indikation nicht mehr. Sie wurde bei der 1995 vorgenommenen Änderung des Paragraphen 218 gestrichen.
Seitdem reicht es als Begründung für einen Schwangerschaftsabbruch nicht mehr aus, dass eine Fortsetzung der Schwangerschaft für die Frau unzumutbar sei, weil beim Kind voraussichtlich schwerwiegende gesundheitliche Schäden zu erwarten sind. Das Ziel dieser Gesetzesänderung war es, eine Diskriminierung von Behinderten im Gesetzestext zu vermeiden.
Ersetzt wurde die embryopathische durch die medizinische Indikation, die nicht mehr eine Erkrankung oder Behinderung des Kindes als Begründung für einen Schwangerschaftsabbruch heranzieht, sondern die akute Gefährdung für Leib und Leben der Mutter.
Kritiker weisen darauf hin, dass es sich bei der Abschaffung der embryopatischen Indikation um eine Mogelpackung handelt, um gesetzgeberische Verhüllungskunst. 50 Denn faktisch hat sich an der Praxis nichts geändert. Bereits eine leichte Fehlbildung berechtigt heute zu einem Abbruch, wenn die Schwangere dies für eine unzumutbare Belastung hält. Die offizielle Begründung muss allerdings sein, dass die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Geburt des Kindes Gefahren für Leben oder Gesundheit der Mutter mit sich bringen.
Nach Paragraph 218a, Absatz 2 des Strafgesetzbuchs bleibt ein Schwangerschaftsabbruch auch nach der zwölften Schwangerschaftswoche straffrei für die Schwangere und den Arzt, »wenn der Abbruch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann«.
Dann nämlich liegt seit der Gesetzesänderung eine medizinische Indikation vor, und der Schwangerschaftsabbruch ist als die geeignete medizinische Maßnahme angezeigt und gerechtfertigt. Eine enorme Erweiterung der einst nur für medizinische Notlagen gedachten Indikation, die die unbedingte Erhaltung des Lebens der Mutter ermöglichen sollte, notfalls auch auf Kosten des Kindes, wenn dies unvermeidlich war.
Der Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik wird damit rechtlich umgedeutet als eine akute Notfallsituation aufgrund einer Gefährdung der Mutter. In diesen Fällen besteht sogar keinerlei zeitliche Begrenzung für den Abbruch, das heißt die Abtreibung ist bis zum errechneten Geburtstermin erlaubt, genauer gesagt, bis zum Beginn der Eröffnungswehen.
Da es sich um einen Notfall handelt, gibt es auch keine verbindliche Schwangerschaftskonfliktberatung, wenngleich die Neufassung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes dem Arzt seit
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