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Mein glaeserner Bauch

Mein glaeserner Bauch

Titel: Mein glaeserner Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Hey
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verbessern. Bei dem Bemühen, unsere Arbeit im Interesse aller Patienten zu verändern, können Sie uns ganz wesentlich weiterhelfen, indem Sie uns mitteilen, wie Sie sich gefühlt haben und wie Sie mit unserer Leistung zufrieden waren. Für Beschwerden und Verbesserungsvorschläge sind wir genauso dankbar, wie für Lob und Anerkennung. Sollten Sie Kritik zu üben haben, so bitten wir Sie, dies offen und ohne Hemmungen zu tun, da wir gerne daraus lernen wollen.
    Das Aufnahmepersonal hat Ihnen dieses Schreiben bei der Begrüßung überreicht. Sie können Ihre Bemerkungen auf der Rückseite schriftlich niederlegen.
    Die schriftliche Begrüßung des klinischen Direktors und der Aufnahmeantrag sind jeweils eine Seite lang, die vom Verwaltungsdirektor unterzeichneten Allgemeinen Vertragsbedingungen ein gebundenes Heft mit sechzehn Seiten.
    Die große Zahl unserer Patienten erfordert zwangsläufig von jedem Einzelnen ein besonderes Maß an Anpassungsfähigkeit. Wir bitten deshalb um Ihr Verständnis für die nachfolgenden Vertragsbedingungen, die Ihnen auch als Orientierungshilfe dienen sollen.
    Eine Beschreibung dessen, was mich erwartete, gab es nicht. Ich kannte nur einige Begriffe, hatte vage Vorstellungen von Absaugmethode und Curettage. Freundinnen waren früher für Abtreibungen nach Holland gefahren. Wirklich darüber gesprochen hatten wir damals nicht. Und wenn, war es nie darum gegangen, dass sie ein Wunschkind verlieren. Sie waren nicht guter Hoffnung gewesen, sondern sie hofften, einem ungewollten Schicksal zu entgehen.
    Als Journalistin hätte ich gewusst, wo und wie ich das Thema Schwangerschaftsabbruch recherchiere. Als Schwangere war mir das nicht möglich. Ich kam nicht einmal darauf. Zuhause hatte ich damals noch keinen Internetanschluss, und in die Redaktion war ich nach dem verhängnisvollen Ultraschall, der das Nackenödem gezeigt hatte, nicht mehr zurückgekehrt.
    Heute würde ich mir sicher Informationen beschaffen zum Thema Trisomie 21. Nach Erfahrungsberichten von Eltern suchen. Nach Hilfsangeboten von Beratungsstellen. Nach jedem möglichen Hinweis greifen, an den ich mich klammern könnte. Unter dem Entscheidungsdruck der Ärzte war mir das damals gar nicht erst in den Sinn gekommen.
    Im Aufnahmegespräch in der Frauenklinik wurde mir erklärt, dass der Abbruch der Schwangerschaft durch eine künstlich eingeleitete Geburt erfolgen würde. Es war die fünfzehnte Schwangerschaftswoche.
    Da machen wir das hier nur so, hieß es.
    Ich spürte meine Angst wachsen und fühlte mich von meiner Ärztin verraten. Das Einzige, womit sie mir angeboten hatte, diese hoch belastete Situation erträglicher zu machen, war der Hinweis, mir würde eine Geburt erspart bleiben. Dieses Angebot hatte wohl doch seine Wirkung gehabt, hatte meine Bereitschaft gefördert, mich auf die eindringlichen Warnungen der Ärzte einzulassen. Ich wünschte mir so dringend Unterstützung, und genau an dieser Stelle hatte ich resigniert.
    Mein innerer Widerstand war bei meinem letzten Besuch in der Praxis der Gynäkologin zusammengebrochen. Denn was ich unbewusst gehört hatte, war, dass ich alles nur noch schlimmer machte, wenn ich mit dem Abbruch noch länger zögerte. Als sei dies der einzige Ausweg aus dem unerträglichen Konflikt. Als sei alles einfacher, wenn man denn nur Einsicht zeige. Als sei mein Zögern das Problem.
    Ich hatte gespürt, dass ich den Boden unter den Füßen verlor. Und versuchte verzweifelt zu funktionieren. Verantwortlich dafür bin allein ich.
    Stumm begleitete Klaus mich auf die gynäkologische Station im fünften Stock des riesigen, hässlichen Klinikgebäudes. Während wir auf dem Flur darauf warten, dass mir ein Zimmer zugewiesen wird, huscht eine Schwester vorbei und flüstert mir zu, dass ich das Recht habe, mein Kind bestatten zu lassen. Offiziell sei das allerdings erst ab einem Geburtsgewicht von fünfhundert Gramm möglich.
    »Setzen Sie sich durch!« Und weg ist sie.
    Ich stehe auf dem Flur, verwirrt, sprachlos.
    Ein düsterer kleiner Aufenthaltsraum mit ausgedörrten Blumentöpfen wird uns angeboten, damit wir uns setzen können. Nach endlos scheinender Wartezeit werden wir schließlich ein Stockwerk tiefer geschickt. Ich bekomme ein Einzelzimmer. Wie in Trance räume ich meine Sachen ein.
    Haben wir alles besprochen? Was ist noch nicht gesagt?
    Wenn mein Bruder mir nicht dringend geraten hätte, Klaus mit einzubeziehen, stünde ich jetzt allein hier. Am liebsten möchte ich ihm nichts von

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