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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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Ständig bedrohten Gruppen von Kaktusfeigen unsere Waden. Es waren mehrere Kilometer, die wir jeden Tag viermal zurücklegten. Denn selbstverständlich wollte keiner von uns auf das gesellige und köstliche Mittagessen oben im Kloster verzichten. Der Strand war winzig. Es gab keinen Sand, sondern nur Kieselsteine, über die zu gehen wirklich keinen Spaß machte. Die bequemste Art, ins Wasser zu kommen, war ein Kopfsprung in ein großes blaugrünes natürliches Becken. Es lag neben den Klippen, war sehr tief und ein Paradies zum Schnorcheln. Bald sah man keinen einzigen Kopf mehr, sondern nur noch Rücken, die sich im Wasser bewegten und zur kleinen Insel schwammen, die wir die Haseninsel nannten, weil dort Hasen lebten. Auf Korsika lernte ich Monique kennen, und zwar auf unvergessliche, richtiggehend mythologische Weise. Sie trug eine rosarote Bademütze und einen blauen Badeanzug und war schon im Wasser, als ich ankam. Ich fand, dass der Platz, an dem sie zwischen spitzen Riffen badete, doch sehr gefährlich sei, und warnte sie. Sie lachte nur, legte sich ganz flach aufs Wasser und ließ sich vom Rückstoß der Wellen dahintreiben. Nachher fragte sie, wer denn dieser Typ sei, der sie nicht einmal ruhig habe schwimmen lassen. Anschließend wurde ich mutiger und rief ihr, wie sich Kameraden jetzt noch gerne erinnern, zu: »Monique, regarde, je plonge!« – »Schau, Monique, ich springe!« Es war eine fabelhafte Gemeinschaft, die da aus dem Zusammentreffen von Deutschen und Franzosen entstand. Manchmal ging es richtig »à la Rabelais« zu. Vier Kameraden zogen ihre Badehosen aus, beugten sich nach vorn und baten mich, ein Foto zu machen. Man spürte, wie es überall knisterte im Maquis. Der Medizinstudent, der uns begleitete, verteilte hier und da Präservative, für die ich in meiner platonischen Liebe keine Verwendung hatte. Monique und ich, wir konnten nachts, während einer mehrtägigen Tour um die Insel, stundenlang in den tiefen klaren Sternenhimmel schauen und auf Sternschnuppen warten. Denn zwei oder drei Mal übernachteten wir unter freiem Himmel. Den Höhepunkt des Zusammenseins und des Treffens bildete sicherlich unsere Tour de Corse in einem alten, pummeligen Autobus. Als Anhänger reiste die Küche unseres Elsässers mit. Denn es war nicht nur für die Franzosen, sondern auch für uns inzwischen selbstverständlich, dass das köstliche, ausgiebige Essen unbedingt dazugehörte. An den schönsten Stränden, etwa bei L’Île-Rousse, spülten wir unser Geschirr. Spaghetti und Tomatensauce schwammen im Wasser und umgaben bald die Badegäste. An den Fenstern der Häuser erschienen Menschen, die sich über den Lärm und die wüsten Gesänge beschwerten. Die vielstimmige Antwort, die ihnen entgegenschallte, lautete »Les cocus au balcon« – »Die Gehörnten auf dem Balkon«. Die Stimmung wurde dadurch immer grimmiger und gereizter. Drohungen, man werde uns in die Luft jagen, wurden laut. Die Abende am Meer, der Sonnenuntergang über dem Golf von Porto, das mitternächtliche Bad, all dies bleibt mir unvergesslich. Der Abschied von den französischen Freunden am Hafen von Bastia, wo diese auf das Schiff nach Marseille steigen sollten, fiel allen schwer. Natürlich schworen wir, uns so rasch wie möglich wiederzusehen. Monique schaute mich geradewegs an und warf kurz darauf vom Schiff aus ihren Heiligenschein, den riesigen braunroten Strohhut ins Meer. Ich nahm diese Geste als Pfand.

    Bei einer der ersten Reisen nach Paris traf ich mit einer Reihe von Schriftstellern zusammen, die mir Kahnweiler und Michel Leiris empfohlen hatten und bei denen sie mich auch eingeführt hatten. Wenige Zeit später übertrug ich ein Stück von Marguerite Duras: »Des journées entières dans les arbres«. Dabei halfen mir Erika und Elmar Tophoven, die aus ihrer unendlichen Erfahrung heraus so manchen falschen, gekünstelten Ton in den Dialogen zu verbessern wussten. Die Tophovens nahmen mich auf überaus liebenswürdige Weise auf und luden Monique und mich immer wieder mit unseren Kindern zu sich aufs Land im Westen der Stadt ein. Die Intensität, mit der sich Elmar beim Übersetzen in die beiden Sprachen hineinschraubte, war bewundernswert. Er war nie zufrieden. Seine vielen Übersetzungsvarianten, sein Zögern, Zaudern und schließlich die Entscheidung für die in seinen Augen einzig mögliche Wahl beeindruckten. Für seine Gäste hielt er richtige Seminare ab, zu denen auch die frühen Pariser Freunde Günter und Sigrid Metken

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