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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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wir von Baudelaire und Benjamin kennen. Was Barthes uns bietet, wird durch das Vermögen seiner Sprache zu einem neuen ästhetischen Erfahrungsbereich. Sein verfeinerter Strukturbegriff gestattet es, in jenen Bereichen Vernetzungen zu entdecken, die früher von Geschmack, Gesellschaft oder Theorie tabuisiert worden waren. Der berühmte Text über den Eiffelturm wird zum Zeichen für dieses Ende der Gleichgültigkeit gegenüber Fakten, die bis dahin im europäischen Kulturbereich keine geistesgeschichtliche Prägnanz besaßen. Baudelaire wendet sich erstmals in seinen Petits poèmes en prose bis dahin unbedeutenden Sujets zu. Auch Riegl führte der Kunstgeschichte, dem ästhetischen Erleben Materialien zu, die zuvor nur paraästhetischen Wert besaßen. Mit dem Eiffelturm, gegen dessen Errichtung sich die ästhetische Noblesse Frankreichs empört hatte, traten neue Erlebnismöglichkeiten in den Gesichtskreis. Wenn man die Art unseres ästhetischen Erlebens weiterhin nur als eine Geschichte stilistischer Entwicklungen fasst, bleibt man diesen Phänomenen gegenüber blind. Ich spürte, dass das, was man in den sechziger Jahren mit einem scheinbar objektiven Begriff »konzeptuelle Kunst« zu nennen begann, die Konsequenz einer geistig-psychischen Aktivität war, die sich darauf verstand, noch dem kleinsten visuellen Anstoß zu einer transoptischen sprachlichen Bedeutung zu verhelfen. Die Interpretation hatte sich von der Wertfrage gelöst. Barthes’ Stil selbst bietet hierfür die Vorlage. Das Denken entzündet sich am Detail. Das erlebte ich hautnah im Gespräch mit ihm. Es war wie bei Ponge ein Brüten über lächerlichen Selbstverständlichkeiten unserer Umgebung. Bei Barthes waren es in erster Linie Erscheinungen und Produkte, die dem präzisen, genau datierbaren Augenblick, dem Modischen, angehören. Sie spielen in nostalgischem Vorgriff mit dem Verfallsdatum. Dieses bildete den Horizont des Erlebens. Man spürte dies in vielen Ateliers. Die Neuen Realisten griffen bereitwillig zu den heteroklitesten Gegenständen. Wir finden sie in den Assemblagen von Tinguely und Arman. Das Interesse an Akkumulation hat mit dem Warenangebot und den neuen Konsumgewohnheiten zu tun. Der Griff nach dem Gegenstand hat sich dabei weit vom Flohmarkt und damit vom pathetischen Erleben einer Objektmagie entfernt, die zuvor die Surrealisten antrieb. Man könnte sagen, Tinguely, Arman und ihre Freunde wehrten sich gegen alles Seltene. Im Grunde boten die Künstler des Nouveau Réalisme die letzte geschlossene und unübersehbare Avantgarde, die Paris erlebt hat. Sie waren die ersten, die die paralysierende Selbstsicherheit der autonomen Malerei in Frage stellten. Zur Kohärenz der Künstlergruppe, die sich unter dem Label der Nouveaux Réalistes zusammengefunden hatte, gehörte das Vertrauen in Manifeste. In diesen Texten sprach sich eine neue Definition der Rückkehr zur Realität aus. Arman, Raymond Hains, Martial Raysse, Daniel Spoerri und Jean Tinguely, Niki de Saint Phalle, Rotella, César und Christo, jeder präsentierte andere Materialien und Arbeitsweisen. Allen ging es um Freiheit. Fast hinter allem, was erprobt wurde, stand das Beispiel und Vorbild Yves Klein. Der Ruf nach einer Beschäftigung mit der Realität war vor dem Hintergrund der jüngsten Geschichte der Kunst bezeichnend. So steckte hinter dieser Forderung eine Lust an Inhalten, die während der Herrschaft der informellen Kunst mehr oder weniger verschwunden war. Das Weggeworfene, der unsachgerechte Umgang mit den Techniken, der nun an die Stelle des kodifizierten Ateliergestus eine »bricolage de génie«, das private Basteln, die Entdeckung von Volkskunst und ethnologischer Feldforschung setzte, wurden nun zur stimulierenden Verlockung. Jeder der Beteiligten erfand dabei seine eigenen Prozeduren und Stereotypien. Der eine verpackte, der andere kombinierte alte Motoren, machte aus Autowracks Kompressionen, die andeuten sollten, wie das ganze Weltall implodiert, wieder andere schossen mit dem Gewehr auf kleine, mit Farbe gefüllte Beutel, die in die Leinwand eingelassen waren, oder entrissen den Plakatwänden der Stadt ihr Material für bunte Collagen. Und stets war es einfach, diese Künstler zu treffen und mit ihnen zu diskutieren, lebten doch fast alle in Paris. Allein Arman begegnete ich fast nur in New York, wo er für Freunde in seinem Loft einmal ein Essen arrangierte, bei dem alle Speisen und alle Getränke grün gefärbt waren.
    Zu meinen engsten Freunden unter

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