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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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er verstünde nichts von moderner Kunst. In diesem Bereich fühlte sich jeder dazu verpflichtet, als Richter seinen Senf dazuzugeben. Mit äußerster Zurückhaltung reagierte er auf das, was ihm von heutiger Kunst berichtet oder gezeigt wurde. Von der behördlichen Förderung junger Künstler hielt er nichts, ja er verhielt sich ihr gegenüber entschieden feindselig. In diesem Bereich sollte, das war seine Grundüberzeugung, der Staat um Himmels willen keine Initiative ergreifen, um die Künstler zu ermutigen. In einem Aufsatz, den ich unter seinen unveröffentlichten Papieren einsehen konnte, fand ich einen Passus, der besagte, die Aufgabe des Staates bestehe im Gegenteil darin, frühe Ambitionen zu entmutigen. Daraus sprach auf der einen Seite eine Art von ästhetischem Darwinismus, für den seine eigene Erfahrung das beredte Zeugnis abgab: Alles, was irgendwie Bedeutung und Zukunft hat, setze sich von selbst gegen das Schwächere oder Unbedeutende durch. Und andererseits war er, aus ethischen und ökonomischen Gründen, dagegen, Illusionen zu nähren und Künstlern postwendend eine bedeutende Laufbahn in Aussicht zu stellen. Er sah in diesem Verhalten nicht mehr als die Bequemlichkeit, sich eines Urteils zu enthalten und nicht für dessen Folgen einstehen zu müssen. Mit spürbarer Verachtung verwies er auf das Verhalten von Thomas Mann, der so gut wie alle Manuskripte und Bücher, die ihm übersandt wurden, mit freundlichen, unverbindlichen Worten belohnte. Manns Begründung, mit positiven Antworten handle man sich am wenigsten Ärger ein, fand Kahnweiler für seine Person inakzeptabel. Dahinter steckte für ihn nichts anderes als Feigheit. Eine solche Ansicht vertrat auch Richard Lindner, der meinte, Duchamp, den er zu den wenigen Genies des Jahrhunderts rechnete, sei im Umgang mit anderen Künstlern aus Bequemlichkeit ebenso korrupt wie Thomas Mann gewesen. Und Lindner fügte mildernd hinzu: »Was ich ja verstehe. Um etwas ablehnen zu können, muss man schon arbeiten.«
    Die Kehrseite dieser Unduldsamkeit Kahnweilers bestand darin, nie zuzugeben, dass er sich selbst mit den Künstlern, die er ausgewählt und in die Galerie aufgenommen hatte, getäuscht haben könnte. Hadengue, Rouvre, Beaudin, Kermadec, Suzanne Roger blieben im Unterschied zu den kapitalen, definitiven Entdeckungen vor dem Ersten Weltkrieg, die in einer Art genialer Fulguranz zustande gekommen waren, nicht mehr als Totgeburten. Doch Kahnweilers Selbstbewusstsein ließ dies nicht zu. Und er war von einem unbändigen Stolz, den ich erst nach und nach entdeckte. Er verbat sich jeden Widerspruch. Er konnte nicht anders. Als Kantianer ging er davon aus, dass er in Sachen Kunst über analytische Urteile a priori verfügte, die erst gar nicht an einer Realität oder an einem Konsens der vielen, an einer Statistik überprüft werden mussten. Wenn jemand eine andere Erklärung für die Entstehung des Kubismus vorschlug, wie Gleizes und Metzinger in ihrer Publikation »Du cubisme«, stieß dies bei Kahnweiler auf eine vehemente Kritik, die er in Gesprächen und Briefen Gott und der Welt zugänglich machte. Dahinter steckte sicherlich auch Eifersucht und die ihm unerträgliche Vorstellung, dass es die zwei Künstler in ihrem gemeinsam geschriebenen Buch unternahmen, sich selbst dem inneren Kreis des Kubismus zuzurechnen. Denn für Kahnweiler gab es nur die Kategorie der »Großen Kubisten«, von einer Übernahme kubistischer Morphologie, wie man sie schnell überall beobachten konnte, hielt er nichts. Das war für ihn allenfalls untaugliche und unbegründete Verkleidung einer künstlerischen Armut. Dies trübte auch, wie er zugab, die Freundschaft mit Apollinaire, der überall generös kubistische Proselyten entdecken wollte. Dessen Schrift Les peintres cubistes lehnte er ab, vielleicht auch weil sie vor seiner eigenen Publikation zum Thema erschienen war. Denn zumindest der erste Teil des Buches versuchte das, was Kahnweilers eigene Ambition war, eine theoretisch-philosophische Begründung für diese Umschrift der sichtbaren Welt zu finden. Niemand wagte ihm zu widersprechen.
    Ebenso ausgeprägt und radikal wie seine Überzeugung, dass er als einziger über die reine Wahrheit verfügte, war sein Anspruch auf den unteilbaren Besitz seiner Künstler. Er verwies, um seine Überzeugungen zu begründen, auf die generelle Blindheit, zu der die Zeitgenossenschaft verdammt ist und der nur ganz wenige zu entkommen vermöchten. Sein Exempel blieb der

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