Mein Glueck
Kahnweiler, Louise Leiris oder Maurice Jardot, die an diesem Zeremoniell festhielten, eingemischt und für ein Gemälde oder eine Zeichnung plädiert oder sie als besonders günstigen Kauf angepriesen. Das wäre unter der Würde des Hauses gewesen. Der große Sammler Roger Dutilleul erinnerte sich später: »Was mir bei Kahnweiler gefiel, war, dass er so gut wie nichts zu einem Bild sagte, allenfalls ein oder zwei Wörter.« Denn erklären könne man auch ein schlechtes Bild. Zu seinen Prinzipien gehörte, dass ein Kunsthändler selbst keine Sammlung anlegen sollte. Dies würde ihm die Arbeit erschweren, würden die Käufer doch dann in der Regel nach den Werken fragen, die sich der Sammler zurückgelegt hatte. In der Tat bestand das, was Kahnweiler bis zum Ende seines Lebens zusammengetragen hatte, zumeist aus Geschenken und Erinnerungsstücken. Erst ganz spät behielt er einige bedeutendere Arbeiten von Picasso oder Léger für sich. Kahnweiler selbst sagte dazu, die Leute meinten immer, ein Kunsthändler könne Maler »lancieren«, indem er für sie die Werbetrommel rühre. Und er fügte stolz hinzu, dass er für Reklame nie einen Sou ausgegeben habe. Auch habe er keine Annoncen in Zeitungen oder Zeitschriften eingerückt.
Er sagte dies zu einer Zeit, da der Kunstbetrieb mehr und mehr mit der Arbeit der Medien zu rechnen begann. Das Metier hatte sich damals grundsätzlich verändert. Die Ignoranz vieler Käufer stellte einen Blankoscheck aus: Die Funktion vieler Galerien, die damals aus dem Boden schossen, bestand darin, diesen Scheck auszufüllen, und weil der Käufer kaum mehr seinem eigenen Urteil vertraute, geschah dies mit allerhand List. Diese »List« bestand darin, demjenigen, der sich Bilder kaufte, mehr zu liefern als ein bestimmtes Objekt. Man ließ den Käufer nicht allein mit seinem Werk, man bot ihm in manchen Galerien auch gleich noch den Zutritt zu einer geschlossenen Gesellschaft, einem Kreis. Galerien übernahmen die Funktion von literarischen Salons, spendeten »ambiance«. Sie lieferten wie beim Kauf eines Autos oder eines komplizierten Geräts gleich noch den Kundendienst.
Solche Anbiederung kannte man in der Rue de Monceau nicht. Kahnweilers Selbstsicherheit hätte das nicht ertragen. Allenfalls beantwortete jemand kurz Fragen nach der Technik oder nach dem Jahr der Entstehung, so als hätte es die Galerie darauf abgesehen, eine Atmosphäre der Fremdheit zu schaffen, die dafür sorgte, die Hektik um Kunst, die überall in den Galerien spürbar war, in eine ferne Umlaufbahn zu schießen, in der die persönliche Empfindung und das biographische Detail nebensächlich wurden.
Alles vermittelte den Eindruck absoluter Diskretion. Dazu gehörte auch ein sicheres System, das die Galerie entwickelt hatte, um die Werke verschlüsselt zu inventarisieren. Dieses spielte mit zwei oder drei Notizbüchern, in denen jeweils ein Teil der notwendigen Informationen abgelegt waren. Nur zusammen ergaben sie den Schlüssel, der zur Auskunft führte. Offensichtlich steckte hinter der Zurückhaltung, die in der Galerie gepflegt wurde, das unerreichte Exempel von Ambroise Vollard. Kahnweiler erzählte gerne anerkennend von der Indolenz des Kollegen, der mit halbgeschlossenen Lidern wie eine Katze die Besucher im Auge behielt. Nur schläfrig habe er dann und wann eine Frage beantwortet. Undenkbar, dass man in dieser Galerie, wie ich es bei Berggruen in der Rue de l’Université entdeckte, auf ein Schild aus grünem Plastik stoßen konnte, das wie in manchen Metzgereien leicht verrutscht an einer vergoldeten Kette verkündete, dass dieses Haus keinen Kredit gewähre.
Aufschlussreich war in der Rue de Monceau die Art und Weise, in der mit den bevorzugten Händlern verkehrt wurde. Siegfried Rosengart und Tochter Angela aus Luzern, Ernst Beyeler aus Basel, Eleanore Saidenberg aus New York, deren Mann Daniel, ein ehemaliger Cellist und Dirigent, den Kahnweiler besonders schätzte, oder auch Michael Hertz aus Bremen, der ergebene, etwas steife deutsche Vertrauensmann, wurden nach Paris eingeladen, um als erste einen Blick auf die Neueingänge aus dem Atelier Picassos in Mougins zu werfen. Denn Picasso selbst kam seit Jahren nicht mehr nach Paris in die Galerie. Selbst die umfassende Retrospektive, die 1966 zu seinem fünfundachtzigsten Geburtstag im Grand Palais und im Petit Palais stattfand, konnte ihn nicht zu einer Rückkehr nach Paris bewegen. Kein Händler hatte das Recht, direkt beim Künstler zu kaufen. Manche
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