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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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stellte. Dreizehn Jahre lang fuhr sie, nicht nur am Todestag im April, sondern am achten jeden Monats, allein oder mit ein, zwei Freunden »zu Monseigneur Pablo«. Früh am Morgen weckte den Gast an diesen Tagen in Notre-Dame-de-Vie eine Sinfonie von Mozart oder eine Solosuite von Bach. Nach dem Frühstück in der Küche begann die zweistündige Fahrt nach Vauvenargues, das hinter Aix-en-Provence liegt. Links von der Straße, die von Aix aus nach Tholonet, einem steinernen Lieblingsplatz Cézannes in der Haute Vallée de l’Arc, führt und wo in diesen Jahren noch André und Rose Masson lebten, bog man in das enge Seitental, in dem der winzige Weiler liegt, zu dem das Château Vauvenargues gehört.

    Monique Spies, William Rubin und Werner Spies in Picassos Wohnzimmer

    Dort im Park des Schlosses, mit Blick auf Cézannes Berg, liegt Picassos Grab. Es ist eine pralle Brust aus Erde. Die Halbkugel ist mit dichtem grünem, knapp beschnittenem Rasen bedeckt. Ein Kranz aus Efeu rahmt den Tumulus ein. Auf diesen hatte Jacqueline einen Abguss der monumentalen Frau mit Vase stellen lassen, die Picasso 1937 für den Eingang des republikanischen Pavillons auf der Pariser Weltausstellung modelliert hatte, in dem »Guernica« hing. Ein zweites Exemplar der Skulptur schenkte sie Spanien, als »Guernica« nach Madrid zurückkehrte. Dort wurde sie vor dem Bild aufgestellt. Dann ließ Jacqueline den Gips zerstören. Es sollte kein weiteres Exemplar gemacht werden können. Ich hatte die Arbeit noch einige Jahre zuvor in Mougins fotografiert. Sie lag, in zwei Teile zerbrochen, im Gartensaal. Am 23. September 1971 hatte mir Picasso erklärt, er wolle sie wieder zusammensetzen und dem Gießer übergeben. »Guernica« in Madrid, im Prado, das war der nachdrückliche Wunsch Picassos, letztlich der einzige konkrete Wunsch zu seinem Werk, von dem wir wissen. Er wurde nicht erfüllt. Vorübergehend hing das Gemälde, nachdem es nach Francos Tod vom Museum of Modern Art der spanischen Republik zurückgegeben worden war, von der Guardia Civil bewacht, im Casón del Buen Retiro. Eine dicke Glasscheibe sicherte es noch zusätzlich. Ich hatte öfters Gelegenheit, mit Jorge Semprún, in der Zeit, da er als Kulturminister aus Paris nach Spanien zurückgekehrt war, über die ideale Präsentation zu diskutieren. Von ihm wusste ich auch, welche große, entscheidende Rolle für den spanischen Untergrund Walter Haubrich, der in Spanien für die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb, gespielt hatte. Dank ihm kamen viele verbotene Bücher ins Land. Schließlich überlegten Semprún und ich uns, dass es sicher imponierend wäre, gegenüber von »Guernica« im Casón vorübergehend Goyas »El tres de mayo«, die Erschießung der Aufständischen, als zweites spanisches Schmerzensbild zu zeigen. Dazu kam es nicht mehr, da Semprún bald darauf seinen Ministerposten, den er übrigens wie ein Fremdling in Spanien auszuüben hatte, wieder verlor.
    Im Schloss Vauvenargues, gegenüber der Nordseite der Montagne Sainte-Victoire, hatte das eingesetzt, was man im Werk Picassos »die Grüne Periode« nennen kann. Denn der Wechsel in der Farbgebung ist beispiellos. In immer neuen Variationen lud sich der Künstler einige Monate lang zu Manets »Frühstück im Freien« ein, als säße er mit den Figuren im Grünen. Er malte den Unterschied, und mit dem Unterschied meinte er sich selbst und die Veränderungen, die er in die Malerei des zwanzigsten Jahrhunderts hineingetragen hatte. Etwas Dramatisches und Neues taucht in der Nachkriegszeit auf: Nur Picasso hielt während dieser Jahre in der westlichen Welt an Geschichte und Museum fest. All seine ikonographisch reichen Variationen nach Velázquez, Cranach, Poussin, Delacroix oder Manet fallen in die Zeit, in der die École de Paris hoffte, definitiv die Gegenständlichkeit aus den Ateliers vertreiben zu können. In Vauvenargues tauchte er die Bilder mit dem Dalmatiner Perro, die Porträts von Jacqueline oder das Doppelporträt der Kinder Paloma und Cathy in dieses für den Künstler ungewöhnliche Grün, in das Kolorit des Landschafters, der er eigentlich, abgesehen von der Jugendzeit in Barcelona, nie gewesen war. Kurze Zeit nach dem Tode Picassos schenkte mir Jacqueline in Mougins ein Paar Schuhe. Ich hätte ja schließlich die gleichen kleinen Füße wie Pablo. Alle anderen Kleidungsstücke habe sie vernichtet, damit es nicht zu einem Devotionalienhandel komme. Es war ein Schuhwerk, das zu einem bestimmten Ort

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