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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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herauszugeben. Die Idee dafür hatte ich bereits 1961 in einem Report erwähnt, in dem ich über den ersten Monat meiner Tätigkeit für den Süddeutschen Rundfunk in Paris berichtete. Ich schrieb damals: »Kahnweiler interessiert sich weiterhin sehr lebhaft für meine Arbeit in Paris und ist mir behilflich, wo er auch nur kann – er führt Telefongespräche für mich, führt mich bei Autoren ein und berät mich – zusammen mit seinem Schwiegersohn Michel Leiris. Ich habe vor – in Zusammenarbeit mit Gallimard und einem deutschen Verleger – zum 80. Geburtstag Kahnweilers ein Buch herauszugeben, in dem als Festgabe zu seinem Geburtstag seine Freunde Beiträge liefern werden.« Kahnweilers Umgebung, nicht zuletzt Louise Leiris, wiegelten zunächst ab mit dem Hinweis, dass solche Festschriften, derartige »Mélanges« in Frankreich nicht üblich seien. Doch dann konnte ich den Plan umsetzen, denn Kahnweiler war Feuer und Flamme für dieses Projekt. Die Zusage, an diesem Projekt mitzuarbeiten, fiel überall prompt und begeistert aus. Picasso lieferte zwei Lithographien, eine für den Umschlag des Bandes und eine, die zu unserer aller Überraschung einen Raucher zeigte. Masson und die übrigen noch lebenden Künstler der Galerie, Beaudin, Kermadek, Hadengue, Elie Lascaux, steuerten gleichfalls Blätter bei. Georges Braque, den ich kurz zuvor noch inmitten einer Ausstellung, die ihm in der Orangerie an den Tuilerien gewidmet worden war, gesehen hatte, war zum Zeitpunkt, da wir konkret an der »Hommage à Kahnweiler« arbeiteten, eben gestorben. Ich traf ihn einmal. Er wurde von einer Nurse im Rollstuhl durch das Museum geführt, und ich muss sagen, die Erinnerung an die melancholische Verschattung seiner ebenmäßigen Züge, die tief in den Kopf eindrangen, ließ mich nicht mehr los. Ich hörte die Emotion, die ich erleben durfte, noch aus der Trauerrede heraus, die André Malraux mit tremolierender Stimme in der Cour Carrée des Louvre vor dem schwarzen Katafalk hielt. Es war derselbe funebre Ton, den er zwei Jahre später am selben Platz für Le Corbusier anstimmte. Braques Bilder waren nach meiner Ankunft in Paris sicherlich diejenigen, die mich im Musée d’Art Moderne an der Avenue Wilson am stärksten beeindruckten. Stundenlang saß ich vor seinem »Billard« oder seinem »Salon«. Meine Begeisterung nahm jahrelang nicht ab, hier entdeckte ich den Inbegriff der französischen »peinture«. Es waren bezeichnenderweise Bilder, die aus der späteren Zeit des Künstlers stammten. Ich hatte mich indessen an diesen Arbeiten schließlich so abgesehen, dass ich sie im Jahre 2000 bei der Neupräsentation der Sammlung des Centre Pompidou nicht mehr zeigen wollte. Ich schämte und fürchtete mich vor ihnen, hatte ich doch das Gefühl, dass ich zu viel von mir selbst in sie abgelegt hatte.
    Regelmäßig traf ich mich bei der Vorbereitung der Festschrift ab 1963 mit Michel Leiris und Maurice Jardot in der Wohnung am Quai des Grands-Augustins. Dabei legte Kahnweiler Wert darauf, dass alle früheren Weggenossen mit Werken, Manuskripten oder Faksimiles von Briefen beteiligt sein müssten. Das einzige, was sich Kahnweiler verbat und was ich in der Korrespondenz mit den Autoren hervorheben sollte: Es durften keine persönlichen Erinnerungen und keine Gedenkblätter für ihn aufgenommen werden. Auch über zeitgenössische Künstler, die nichts mit der Galerie zu tun hatten, wollte er keine Beiträge. Den Vorschlag Wilhelm Boecks, über Grieshaber zu arbeiten, der, wie Boeck schrieb, als »Schwabe der Heimat Kahnweilers entstammt und mit seiner Kunst den großen französischen Malern verpflichtet ist«, musste ich ablehnen. Boeck wandte sich dann, nach einem gemeinsamen Besuch im Louvre, in dem in einer Sonderausstellung Arbeiten aus den Depots gezeigt wurden, einer Zuschreibungsfrage zu. Sie galt einem kleinen rheinischen Bildchen, auf das zuvor nur Alfred Stange in seiner Deutschen Malerei der Gotik kurz hingewiesen hatte. Boeck erkannte einen rheinischen Maler, der im näheren Umkreis von Lochner gearbeitet hatte. Er gab seinem Beitrag den Titel »Anonymität und Personalität des Künstlers, am Beispiel des ›Wunders des Volto Santo‹ im Louvre«.
    Die umfangreiche, spannende Korrespondenz führte ich von der kleinen Wohnung an der Place du Marché St.-Honoré aus, in der wir mit unserem Söhnchen Patrick lebten. Die brieflichen Kontakte und die Menschen, die ich für das Projekt aufsuchte, bleiben eine einzigartige

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