Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Herz so weiß

Mein Herz so weiß

Titel: Mein Herz so weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
Vom Netzwerk:
Guillermo nicht schwer war, so lieblos von seiner kranken Frau auf einem anderen Kontinent zu sprechen, wenn man glaubt, dass niemand zuhört, im Zimmer eines Hotels in Havanna, unter dem fleischigen Mond und mit angelehnter Balkontür, davon zu sprechen, sie umzubringen oder zumindest sterben zu lassen: ›Ich lasse sie sterben‹, hatte er gesagt. ›Ich tue nichts, um ihr zu helfen. Ich treibe sie dem Tod in die Arme.‹ Und etwas später: ›Ich nehme ihr das bisschen Lebenslust, das ihr noch bleibt. Findest du das nicht genug?‹ Aber Miriam schien das nicht genug, sie wartete zu lange, und Warten ist, was am meisten zur Verzweiflung bringt und irre reden lässt und zermürbt und sagen lässt: ›Hab ich dich jetzt‹ oder ›Du gehörst mir‹ oder ›Mit mir in die Hölle‹ oder ›Ich bring dich um‹, es ist wie ein riesiges Gewebe ohne Naht noch Verzierung noch Falte, wie ein unsichtbarer oder rötlicher Himmel ohne Winkel, die ihn verdecken, ein undifferenziertes, regloses Ganzes, in dem sich keine Fäden erkennen lassen und es nur Wiederholung gibt, aber nicht die Wiederholung nach Ablauf der Zeit, die nicht nur erträglich, sondern angenehm ist, nicht nur erträglich, sondern notwendig (man kann nicht akzeptieren, dass gewisse Dinge sich nicht wiederholen werden), sondern ständige und pausenlose Wiederholung, ein endloses Rauschen oder ständiges Einebnen dessen, was kommt. Nichts ist genug, wenn darauf gewartet wird, etwas muss aufgeschlitzt werden mit der geschliffenen Klinge, oder etwas muss verbrannt werden mit der Glut oder der Flamme, nichts ist genug nach der Geringschätzung und dem Abschwören und der Verachtung, danach kann man nur den folgenden und folgerichtigen Schritt gelten lassen, die Beseitigung, die Auslöschung, den Tod dessen, der aus dem Territorium vertrieben wurde, dessen Grenzen das Kissen zieht. Der fleischige Mond, die angelehnte Balkontür, der drückende Büstenhalter, das nasse Handtuch, das heimliche Weinen im Badezimmer, das Haar oder die Falte auf der Stirn, die schlafende Frau und die Frau kurz vor dem Einschlafen, der Singsang derjenigen, die weiter wartet: ›Du musst sie umbringen‹, hatte Miriam gesagt. Und Guillermo hatte geantwortet, seiner kranken Frau jenseits des Ozeans abschwörend, überdrüssig wie eine Mutter, die irgendetwas antwortet, ohne zu überlegen, es ist leicht, mit der Sprache zu verurteilen, es macht nichts, jeder weiß, dass er nicht verantwortlich ist für das, was er sagt, obwohl das Gesetz ihn manchmal bestraft, die Zunge am Ohr, die Zunge tötet nicht, sie vollzieht die Handlung nicht, sie kann nicht: ›Ist gut, ist gut, ich werde es tun, aber jetzt streichel mich weiter.‹ Und sie hatte später insistiert, in neutralem, wenn nicht mattem Ton: ›Wenn du sie nicht umbringst, bring ich mich um. Du wirst eine Tote haben, sie oder mich.‹
    »Du wirst ihm doch nicht erzählt haben, dass ich ihm gefolgt bin, oder?«, fragte ich Berta noch. »Nein, das nicht, vielleicht später, wenn es dir nichts ausmacht. Aber ich habe ihm von dir erzählt, von unseren Spekulationen und Vermutungen.« – »Und was hat er gesagt?« – »Nichts, er hat gelacht.« – »Ihr habt also über mich gesprochen.« – »Na ja, ich habe ihm ein bisschen erzählt, schließlich hatten wir dich auf die Straße gesetzt, damit er raufkommen konnte, es war logisch, dass er Neugier empfand für die Person, der er Unannehmlichkeiten bereitete.« Bertas Antwort kam mir leicht rechtfertigend vor, wo es doch keinen Grund dazu gab. Es sei denn, meine Frage hätte leicht anklagend geklungen aufgrund jenes ›also‹, das ich eingeschoben und mit dem ich sie in eine Bestätigung verwandelt hatte. Berta wollte nicht reden, sie antwortete weiter lustlos, um nicht unhöflich zu sein, oder um mich ein wenig für meine nächtlichen Wanderungen zu entschädigen. Ihr Morgenmantel hatte sich ein wenig geöffnet, ich sah ihre Brüste zur Hälfte in der Öffnung und ganz durch die Seide, dieselben Brüste, die ich nicht anschauen wollte, als ich sie filmte, sah ich jetzt mit Wohlgefallen, ein unzeitgemäßes Begehren. Sie war provokant gekleidet. Sie war eine Freundin. Ich insistierte nicht.
    »Na gut, ich gehe ins Bett, es ist sehr spät«, sagte ich.
    »Ja, ich gehe auch gleich«, antwortete sie. »Ich will noch ein bisschen aufräumen.«
    Sie log, so wie ich später Luisa jenseits des Ozeans belügen würde, als ich noch nicht ins Bett gehen wollte, um Custardoy vom Fenster aus zu

Weitere Kostenlose Bücher