Mein Herz springt (German Edition)
Ich sitze im Zug und weiß, dass ich das alles nicht kann. Lass‘ uns unsere Beziehung bitte auf das Berufliche beschränken. Ich bereue keine Sekunde von all dem, was zwischen uns passiert ist. Im Gegenteil. Aber es ist besser, das Geschehene in guter Erinnerung zu behalten, als immer wieder den Schmerz des sich Trennens ertragen zu müssen. Ich wünsche Dir alles erdenklich Gute. Deine Betty.«
Ich lese die E-Mail wieder und wieder. Dabei laufen mir Tränen über die Wangen. Es tut so weh. Ich bemühe mich, wieder zur Fassung zu kommen. Was sollen die anderen Leute im Zug denken? Sie könnten annehmen, dass ich gerade eine schlimme Nachricht erhalten habe. Sie hätten das Bedürfnis, mich zu trösten. Ich komme mir bei diesen Gedanken schäbig vor. Es ist schließlich nicht viel passiert. Es gibt keinen Grund, das Mitleid anderer auszulösen. Ich packe ein Taschentuch aus meiner Handtasche aus und trockne mir die Augen.
Als ich die Tasche wieder auf den Boden stelle, höre ich das Surren meines Handys. Ich habe eine Nachricht bekommen. Ich werde nervös. Ist sie von Hanno? Wohl nicht. Er ist nicht gerade der mitteilungsbedürftigste Mensch auf Gottes Erden. Er ist ein introvertierter Typ. Ich kann mir vorstellen, dass er vieles mit sich selbst ausmacht. Während ich meine Gefühle immer und überall teilen muss. Kann eine solche Konstellation zwischen zwei Menschen überhaupt funktionieren? Oder ist es wie bei einem Magnet, nämlich dass sich unterschiedliche Pole anziehen?
Ich schaue auf das Display meines Handys. Eine Nachricht von Hanno. Ich öffne sie mit leicht zittrigen Fingern. »Betty, können wir heute Abend telefonieren? Wir müssen sprechen. Dein Hanno.«
Hatte ich ihn gerade vorher komplett falsch eingeschätzt? Ging ihm die Sache zwischen uns näher, als ich es vermutet habe? Ich antworte: »Gerne, ich melde mich bei Dir nach 21.00 Uhr. LG Betty.«
Er: »DANKE.«
Auch wenn es für mich selbstverständlich ist, mit Hanno zu sprechen, wenn er sich mir mitteilen möchte, habe ich dennoch Angst vor diesem Schritt. Mit einem Telefonat am Abend erhält Hanno automatisch Einzug in mein Privatleben. Das konnte ich bisher gut trennen. Ich schließe allerdings auch nicht aus, dass er etwas Berufliches mit mir klären will. Das kommt im Kollegenkreis schon ab und zu einmal vor. Dann wäre es etwas anderes. Wenn nicht, dann müsste es die Ausnahme sein.
Die eben geschriebene E-Mail schicke ich nicht ab.
***
Meine Freude kann ich kaum verbergen, als mich Kalle und Frieda am Bahnsteig abholen. Vergessen ist Hamburg. Wie beide dastehen – Kalle mit unserer kleinen Prinzessin an der Hand. Wie Frieda plötzlich vor Aufregung fast in die Luft springt, als ihr suchender Blick auf mich fällt. Wie sie auf mich zustürmt, während Kalle langsamen Schrittes ihr den Vortritt der Begrüßung lässt. Wie mich irgendwann zwei Menschen in den Arm nehmen vor Glück, dass ich wieder da bin. Das ist mein Leben. Das ist alles, was für mich zählt. Vertrautheit, Geborgenheit, Sicherheit – ohne Worte. Das können mir nur Kalle und Frieda bieten. Dessen bin ich mir sicher. Und das will ich auch nie vergessen. Ich muss nicht überlegen, wie die beiden wohl in der nächsten Situation reagieren werden. Ob sie mich glücklich oder unglücklich machen. Sie sind einfach da. Sie lieben mich. Ich schätze diese bedingungslose Liebe in diesem Augenblick wie selten zuvor. Ich schließe beide fest in meine Arme. Und ich kann meine Tränen auch jetzt nicht verbergen. Kalle fragt nicht. Er drückt mich fest an sich und flüstert mir ins Ohr: »Schön, dass du wieder da bist, mein Schatz!«
Ich antworte nickend: »Ja, das ist es. Ich freue mich wahnsinnig, wieder bei euch zu sein. Es war eine anstrengende Dienstreise. Lasst uns nach Hause fahren und gemütlich zu Abend essen.«
Das Telefonat mit Hanno passt nicht wirklich in meine Gedanken an diesem Abend. Ich habe gerade das Gefühl, angekommen zu sein. Wieder zur inneren Ruhe zu kommen. Es tut gut, zu Hause zu sein. Ein gewohntes Umfeld. Mit geliebten Menschen. Meine Welt. Dennoch möchte ich das Gespräch mit Hanno nicht absagen. Auch mir ist es wichtig, noch einmal mit ihm zu sprechen. Mir anzuhören, was er zu sagen hat.
Nachdem Frieda im Bett ist, gehe ich kurz zu Kalle ins Wohnzimmer. Er schaut sich gerade ein Fußballspiel im Fernsehen an. Ich kuschele mich zu ihm auf‘s Sofa und schwärme genüsslich: »Zu Hause ist es einfach am schönsten, mein Schatz.«
»Ja, das ist
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