Mein Herz und deine Krone
wäre. Sie war eigentlich ihr ganzes Leben allein gewesen. Beide Elternteile hatten sich nie besonders um sie gekümmert. Und die letzten mühsamen Jahre mit ihrem Vater und ihren Schülern, die meilenweit von ihr entfernt waren, hatten sie sich noch verlassener fühlen lassen als je zuvor.
Hier lebte sie mit Menschen zusammen, die sich nach vierzig Jahren noch so viel bedeuteten, dass sie miteinander sprachen, stritten, sich auseinandersetzten – worüber auch immer.
Vielleicht lag es aber auch an dem unverhofften Wiedersehen mit Andreas, der nicht nur eine große Familie hatte, sondern sein ganzes Leben von unzähligen Menschen umringt verbrachte, dass sie plötzlich über andere Lebensweisen als ihre eigene nachdachte.
Wenn sie ihn heiratete … wäre das möglicherweise sogar besser, als auch noch ihr weiteres Leben allein zu verbringen. Vielleicht …
Aus Richtung Osten hörte sie Motorengeräusche, und als Holly hochschaute, entdeckte sie eine kleine Maschine am Himmel.
Andreas!
Mit einem erstickten Laut flüchtete sie in die Gästesuite.
„Das Dinner ist serviert.“
Der Laut an der Tür klang weder nach Sofias dezentem Anklopfen, noch nach Andreas’ herrischem Pochen, und die Stimme gehörte eindeutig zu Nikos. Sie waren also auf Nummer sicher gegangen und hatten einen neutralen Boten geschickt. Nikos war ihr gegenüber sehr schüchtern, deshalb würde Holly es nie wagen, ihn anzuschreien.
Außerdem, wenn Sofia recht hatte, dann würde sie ohnehin zukünftig auf ein derartiges Benehmen verzichten müssen …
Wie langweilig!, fuhr es Holly durch den Kopf. Sofort zwang sie ihre Gedanken in eine andere Richtung. Um Andreas nicht die Genugtuung zu bieten, jeden Abend quasi eine neue Frau vor Augen zu haben, was er wahrscheinlich erwartete angesichts der gut bestückten Garderobe im Gästezimmerschrank, hatte sie sich nach gründlicher Überlegung wieder für das jadegrüne Kleid entschieden.
Wenn sie sich recht erinnerte, war es durchaus nach seinem Geschmack gewesen …
Holly holte noch einmal tief Luft, ehe sie die Tür öffnete und sich zwang, Nikos ängstliches Lächeln mit einem zuversichtlichen zu erwidern. Mit einer kleinen Verbeugung forderte Sofias Mann sie wortlos auf, ihm zu folgen … hinaus an den Pool, wo auch heute Abend eine festliche Dinnertafel vorbereitet worden war.
Andreas saß bereits, erhob sich aber bei ihrem Anblick sofort von seinem Platz. Er sah umwerfend aus. Zum eleganten schwarzen Abendanzug trug er ein blütenweißes Hemd, das den Bronzeton seiner Haut wirkungsvoll unterstrich. Seine nachtschwarzen Augen funkelten herausfordernd. Oder bewundernd?
Er lächelte, und Hollys Herz machte einen Sprung.
„Du siehst absolut hinreißend aus, agapi mou .“
„Ich sehe genau wie gestern aus“, murmelte sie verlegen und hätte sich dafür am liebsten auf die Zunge gebissen.
Andreas lachte. „Nicht ganz. Gestern hat sich deine Nase noch nicht gepellt.“
Hollys Hand fuhr zu ihrem Gesicht. „Lass meine Nase aus dem Spiel!“
„Aber es ist so ein hübsches Näschen …“ Mit jedem Wort war er einen Schritt näher gekommen und streckte seine Hand nach ihr aus.
„Andreas …!“ Mit panisch geweiteten Augen wich Holly zurück, als erwarte sie geschlagen zu werden. „Ich … ich …“
„Hast du heute keinen guten Tag gehabt?“, fragte er erstaunt.
„Was denkst du denn?“, schnappte sie wütend. „Lässt mich hier einsam auf der Insel zurück, mit dem Befehl nachzuden ken !“
„Und? Ist wenigstens etwas dabei herausgekommen?“
„Ja! Dass du ein despotischer, arroganter …“
„Also von deiner Seite nichts Neues“, blockte er sie ab. „Ich habe auch nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass du mit deinen Einwänden gegen unsere Heirat nicht ganz unrecht hast.“
Das machte Holly sprachlos. Ein Umstand, den Andreas gleich nutzte.
„Anfangs nahm ich an, eine Prinzessin zu werden, müsse dir als Anreiz reichen. Aber gerade ich, der sehr wohl die Mühen und Probleme kennt, die mit diesem Status einhergehen, hätte weitsichtiger sein müssen …“ „Dann kann ich also zurück nach Australien?“, fragte Holly mit belegter Stimme.
„Nein, tut mir leid, die Notwendigkeit unserer Heirat bleibt bestehen. Allerdings …“ Er brach ab und zwinkerte ihr lächelnd zu. „Mir ist ganz plötzlich eine blendende Idee gekommen, und deshalb habe ich den ganzen Palast in Aufruhr versetzt und bin heute Einkaufen gegangen!“, verriet er ihr voller Stolz
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