Mein Herz und deine Krone
denn für ein Befehl?“
„Er sagt, du sollst schwimmen gehen, den Tag genießen und dir nicht unnötig den Kopf zerbrechen, sondern in Ruhe nachdenken. Aber zuerst gibt es Frühstück.“
„Ich habe keinen Hunger.“
„Aber natürlich hast du Hunger!“, widersprach Andreas’ ehemalige Kinderfrau und versüßte ihren strengen Tonfall mit einem breiten Lächeln. „Von einem attraktiven Mann angeschmachtet zu werden, macht ein Mädchen immer hungrig. Und wenn ich daran denke, wie Andreas dich quasi mit den Augen verschlungen hat …!“
Sofia schnalzte mit der Zunge. „Oh lala! Das weckt alle Sinne.
Man sieht, hört, schmeckt und empfindet viel intensiver. Vergiss nicht, dass ich auch einmal jung gewesen bin … ich weiß, wovon ich rede!“
Holly lächelte gezwungen. „In diesem Fall offensichtlich nicht.“ Misstrauisch schaute sie um sich und hielt den eleganten Seidenkimono aus Andreas’ umfangreicher Gästegarderobe mit einer Hand vor der Brust zusammen, als traue sie Sofias Versicherung, er sei gegangen, nicht so recht.
„Er ist gegangen …“, beruhigte die sie noch einmal.
„Aber wohin?“
„Wer weiß? Der Tod seines Vaters hat einen ziemlichen Wirbel verursacht. Vielleicht brauchen seine Brüder ihn für wichtige Entscheidungen. Oder seine Mutter möchte ihn zur Unterstützung an ihrer Seite haben“, sinnierte Sofia. „Sie ist eine wundervolle Frau, und egal wie tapfer sie in der Öffentlichkeit lächelt, es ist eine sehr harte Zeit für sie.“
„Davon wusste ich nichts.“
„Wie solltest du auch? Du hast Königin Tia bisher ja nicht kennengelernt. Es liegt noch so viel vor dir, Kind …“ Holly fühlte einen kalten Schauer über den Rücken rinnen. „Und deshalb wird jetzt etwas gegessen. Du wirst deine Kräfte noch brauchen! Wir können weiterplaudern, während ich dir etwas zubereite, ja?“
„Ich … ich kann mir doch selbst schnell einen Toast machen.“
Sofia schnaubte empört. „Du wirst bald eine Prinzessin sein. Daran musst du dich langsam gewöhnen. Wenn du als solche darauf bestehen würdest, dir selbst etwas zu essen zu machen, beleidigst du das gesamte Küchenpersonal.“
„Wirklich?“
„Wirklich! Ich bin da nicht so empfindlich, und du bist ja auch noch keine Prinzessin. Aber wenn …“ Sie musterte Holly mit einem forschenden Blick. „Du musst deine neue Rolle sehr ernst nehmen. Als Mitglied der Königsfamilie repräsentierst du ein ganzes Land.“
„Ich bin aber kein …“
„Wenn ich an den Blick in Andreas’ Augen denke, kann es nicht mehr lange dauern.“
Ziemlich eingeschüchtert und schwankend zwischen Empörung und kribbeliger Aufregung aß Holly so viel von ihrem Frühstück, wie sie nur konnte, um nicht noch einmal Sofias Kritik herauszufordern.
Doch sobald die ihr mit grimmigem Lächeln ein stattliches Lunch-Paket in die Hand gedrückt hatte, damit sie so lange am Strand bleiben könne, wie sie wolle, flüchtete Holly.
„Sobald Seine Hoheit zurück ist, werde ich dir eine Nachricht zukommen lassen“, rief Sofia ihr noch mit ungewohnter Förmlichkeit hinterher. Es klang fast wie eine Warnung. Hatte sie vielleicht Angst, Holly könne weglaufen?
Dies war Andreas’ Insel. Es gab kein Entkommen. Sie war seine Gefangene. Was blieb ihr anderes übrig, als sich seinen Anordnungen zu beugen? Und das bedeutete: schwimmen, ausruhen und nachdenken, nachdenken, nachdenken …
Und so verging der Tag, aber Andreas kam nicht zurück. Wenn, dann hätte sie es mitbekommen. Er hatte die Insel mit seinem Privatflieger verlassen, aber während die Sonne langsam unterging, hörte sie immer noch kein Motorengeräusch am Himmel.
Also konnte sie gefahrlos ins Haus zurückgehen, oder? Holly hatte es satt, träge auf dem Sand zu liegen, sinnlos zu grübeln oder noch erfolgloser zu versuchen, die Erinnerung an den gestrigen Kuss aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Wann immer sie nach ihrem Buch griff, schob sich Andreas’ dunkles Gesicht vor die Buchstaben.
Also packte Holly die Sachen zusammen und schlenderte langsam in Richtung Pavillon. Im Näherkommen hörte sie Sofia und Nikos lautstark in der Küche diskutieren, wie sie es häufig taten, wenn sie sich allein wähnten. Temperamentvoll, leidenschaftlich und ziemlich hitzig.
Wie Sofia ihr stolz erzählt hatte, waren die beiden seit über vierzig Jahren verheiratet und hatten fünf Kinder.
Plötzlich fühlte Holly sich so leer und einsam, dass sie am liebsten auf der Stelle in Tränen ausgebrochen
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