Mein irischer Held
davon überzeugt, dass er sich mir gegenüber stets gnädig gezeigt hat. Er war der Meinung, mich mit Schlägen für meine Verfehlungen strafen zu müssen.“
„Euer zukünftiger Gemahl hat Euch diese Verletzungen zugefügt?“ Isabel war entsetzt. „Niemand sollte einer Frau so etwas antun dürfen.“
Genevieve seufzte. „Ich werde Hugh nicht heiraten. Und ich bin Bevan sehr dankbar dafür, dass er mir zur Flucht verholfen hat.“
Das Badewasser hatte sich abgekühlt, und es war an der Zeit, aus dem Zuber zu steigen. Isabel half Genevieve beim Abtrocknen, Ankleiden und dann auch beim Kämmen. Es dauerte eine Weile, bis alle Knoten gelöst waren und Genevieves Haar wieder glänzte.
„Ich fühle mich wie ein neuer Mensch“, sagte Genevieve schließlich.
„Ihr seht auch so aus.“ Isabel lachte. „Jetzt fehlt nur noch ein wenig Schmuck.“ Sie holte eine hölzerne Kassette herbei und öffnete den Deckel. „Bevan wird begeistert sein. Er mag Euch sehr.“ Sie legte ein paar goldene Ohrringe auf den Tisch. „Seit dem Tod seiner Gemahlin hat er gelebt wie ein Mönch. Bis ihr aufgetaucht seid, hat er keine Frau auch nur eines Blickes gewürdigt.“
„Es tut mir so leid, dass Fiona sterben musste …“
„Er hat mit Euch über Fiona geredet?“ Isabel konnte ihre Überraschung nicht verbergen. „Soweit ich weiß, hat er ihren Namen nicht mehr erwähnt, seit sie in die Hände der Normannen fiel.“
„Wie kam es dazu?“
Isabel zuckte die Schultern. „Es gab eine Schlacht zwischen Normannen und Iren. Fiona geriet ins Kampfgetümmel und versuchte zu entkommen. Offenbar versteckte sie sich in einer Hütte, die später in Flammen aufging. Es war Bevan, der Fionas völlig verbrannten Körper fand.“
„Wie schrecklich …“
„Er macht sich noch heute Vorwürfe, weil er sie nicht retten konnte.“
„Dann hat er sie wohl sehr geliebt?“
„Ja, er hätte alles für sie getan.“
Ein heftiger Schmerz durchfuhr Genevieve. Himmel, es war Eifersucht! Ihr hatte bislang niemand eine solche Liebe entgegengebracht. Gleich darauf schämte sie sich für ihre Gefühle. Immerhin lebte sie, während die arme Fiona tot war.
Inzwischen hatte Isabel einen kleinen Tontopf geholt. „Hier ist die Salbe. Legt zuerst die Ohrringe an. Dann werde ich versuchen, diesen blauen Fleck abzudecken. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, ehe das Fest beginnt.“
Genevieve war im Moment gar nicht nach Feiern zumute. Aber um nichts in der Welt hätte sie ihre freundliche Gastgeberin kränken wollen. Also schritt sie wenig später an Isabels Seite die Treppe hinunter und betrat den inzwischen festlich geschmückten Saal.
Dort war bereits eine große Menge versammelt. Ohne Rücksicht auf ihre Herkunft, ihren Besitz und ihre gesellschaftliche Stellung schienen die Anwesenden miteinander zu reden, zu essen, zu tanzen und zu lachen. Wären die Unterschiede in der Kleidung nicht unübersehbar gewesen, hätte man meinen können, es handele sich um ein fröhliches Fest eines Clans.
„Ich möchte Euch noch einmal willkommen heißen“, sagte Isabel. „Bitte, nehmt unsere Gastfreundschaft an und bleibt, so lange Ihr nur möchtet.“
„Danke.“ Mit den Augen suchte Genevieve den Saal nach Bevan ab. Aber er schien nicht da zu sein.
„Ein Rundtanz!“, rief jemand. Die Musikanten spielten auf, Männer und Frauen griffen sich bei den Händen und begannen im Rhythmus der Melodie kleine Schritte nach vorn und wieder zurück, nach rechts und links zu machen.
Doch nicht alle tanzten. Viele hatten an den langen Tischen Platz genommen und taten sich an Fleisch, Brot und Käse gütlich. Das beliebteste Getränk schien Met zu sein.
Jetzt trat Patrick, der ein schreiendes Baby auf dem Arm hielt, zu Isabel. „Willst du unseren Sohn etwa verhungern lassen?“, neckte er sie.
Die junge Mutter lachte, nahm das Kind, zog sich in eine ruhige Ecke zurück und begann damit, es zu stillen.
Genevieve staunte. In England wäre so etwas unmöglich gewesen. Adlige normannische Damen nahmen sich eine Amme für ihre Kinder. Und wenn wirklich eine darauf bestand, ihren Säugling selbst zu nähren, dann hätte sie das nur an einem Ort tun können, an dem niemand sie beobachtete. So kam es, dass Genevieve auf Laochre zum ersten Mal sah, welch wunderbare Einheit eine Mutter mit ihrem Kind bilden konnte.
Wie schön wäre es, dachte sie, wenn ich dieses Glück eines Tages auch erleben würde.
Eine unerwartete Wehmut überkam sie, und sie beschloss, sich eine
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