Mein irischer Held
auf dem Fußboden und musste ein Stöhnen unterdrücken. Seine Schulter schmerzte, und in seinem Kopf herrschte ein quälender Druck. Die Erklärung für beides war einfach: Ein weiches Bett wäre für seine Verletzung besser gewesen, und mehr Schlaf hätte seinem Kopf gutgetan.
Tatsächlich hatte bereits der Tag gegraut, als er endlich in einen leichten Schlummer gesunken war. Vorher hatte er all seine Willenskraft aufbringen müssen, um nicht zu Genevieve ins Bett zu schlüpfen. Wie gern hätte er den Arm um sie gelegt, ihren warmen Körper gespürt, sich von ihrem Atem streicheln lassen. Aber er befürchtete, seinem Verlangen nicht widerstehen zu können, wenn er ihr so nah war. Also hatte er sich gezwungen, auf dem harten Boden auszuharren.
Jetzt wusch er sich rasch, zog sich an und begab sich in den großen Saal, aus dem ihm der Duft nach süßem Gebäck entgegenwehte. An einem der Tische entdeckte er seinen Bruder Ewan, der Apfelküchlein in sich hineinstopfte.
„Weißt du, wo Genevieve ist?“, fragte Bevan.
„Ich habe sie heute noch nicht gesehen. Komm, setz dich zu mir. Wir können zusammen frühstücken. Diese kleinen Kuchen sind köstlich.“
Es gab auch Hafergrütze, dunkles Brot und Käse. Aber es war das Gebäck, dessen Duft Bevan das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Dabei war er eigentlich ein Mensch, der herzhafte Speisen bevorzugte. Jetzt allerdings griff er nach einem Apfelküchlein und biss voller Genuss hinein. „Hm! Hat Genevieve die gebacken?“
„Nein, aber sie hat dem Koch genau erklärt, wie er sie machen muss. Sie hat ihm auch viele andere Tipps gegeben.“ Ewan leckte sich die Finger. „Ehrlich, Bevan, noch nie in meinem Leben habe ich so gut gegessen. Am liebsten würde ich für immer hierbleiben.“
Sein Bruder lächelte. „Du wirst bald nach Laochre zurückkehren müssen.“
Als beide ihr Frühstück beendet hatten, machte Bevan sich auf die Suche nach Genevieve. Da er sie im Haus nicht finden konnte, warf er sich seinen Mantel über die Schultern und trat in den Hof hinaus. Es war so kalt, dass ihn ein Frösteln überlief. Er wollte sich schon zurück in die Burg begeben, als er Genevieve entdeckte.
Sie stand vor dem Schuppen, der als Waschhaus diente, und half den Wäscherinnen. Mit den Händen hielt sie einen langen, unten breiter werdenden Holzstab umfasst und rührte damit in einem dampfenden Kessel. Bevan blieb stehen, um ihr unbemerkt zuzuschauen. Sie sah verändert aus. Ihr Haar war unter einer Haube verborgen, doch die Strähnen, die darunter hervor schauten, klebten ihr, feucht vom aufsteigenden Dampf, an den Schläfen. Ihre Wangen waren von der Hitze gerötet. Ihre Miene verriet, dass sie sich ernsthaft anstrengte.
Als Burgherrin gehörte es nicht zu ihren Aufgaben, die Mägde bei der Erledigung der groben Tätigkeiten zu unterstützen. Aber es schien ihr nichts auszumachen, mit dem Gesinde Hand in Hand zu arbeiten. Ihr ganzes Benehmen wies darauf hin, dass sie gern mit den irischen Bewohnern von Rionallís zusammen war. Es war nicht zu übersehen, dass die meisten seiner Leute Genevieve bereits als eine der ihren betrachteten.
Die Erkenntnis beunruhigte ihn.
In diesem Moment hob sie den Kopf und bemerkte Bevan. Grüßend nickte sie ihm zu. Er winkte ihr zu, wandte sich dann aber ab, um in den großen Saal zurückzukehren. Aber dort gab es nichts, was seine Aufmerksamkeit hätte fesseln können. Mit einem Mal kam er sich seltsam einsam vor. Einem plötzlichen Impuls folgend, begab er sich zu dem Schlafgemach, das er einst mit Fiona geteilt hatte.
Als er die Tür dazu öffnete, glaubte er im ersten Moment, er habe sich in der Kammer geirrt. Aber dann erkannte er, dass dies das richtige Gemach war. Es sah allerdings sehr anders aus, die Einrichtung war nicht wiederzuerkennen.
Bevan atmete tief durch. Er hatte nicht erwartet, dass Genevieve so viele Veränderungen vornehmen würde. Das Bett, in dem er an Fionas Seite die Nächte verbracht hatte, war verschwunden. Und die Wandbehänge, die sie selbst gewebt hatte, waren durch neue ersetzt worden. Ihm fiel ein, wie er sich manchmal von hinten an sie herangeschlichen hatte, wenn sie webte, um ihr einen Kuss in den Nacken zu geben.
Hatte Genevieve – oder Hugh – die Wandbehänge gar verkauft? Bevan fühlte sich beraubt, und plötzlich wallte Zorn in ihm auf. Er wurde noch wütender, als er sich entsann, dass seine Tochter in dem verschwundenen Bett gezeugt und geboren worden war. Obwohl er monatelang vor
Weitere Kostenlose Bücher