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Mein irisches Tagebuch

Mein irisches Tagebuch

Titel: Mein irisches Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Giordano
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Verkleidung nach handelt es sich um Angehörige der ländlichen Bevölkerung, Farmer, mit großen, cowboyähnlichen Hüten. Sattelzeug und Milchkannen, die auf dem Wagen herumstehen, bestätigen die Vermutung. Dann lese ich auf einem Pappschild »Ministers asses« (»Minister-Arschlöcher«), Und begreife plötzlich, was da geschieht, warum der Esel zu Boden geworfen, betrampelt und geschlagen wird, weshalb sie ihn vertrimmen und er Stroh fressen muß. Das geschundene Langohr da oben symbolisiert Irlands Regierung und das Parlament, den Dail, überhaupt die Politiker schlechthin. Der Zorn (und der Spaß) muß groß sein, denn nun wird der unglückliche Laiendarsteller auch noch mit der Peitsche geschlagen und so wütend malträtiert, daß er einem nur leid tun kann. Gleichzeitig jedoch gibt er sich in seiner grauen Haut so masochistisch, daß Anteilnahme gänzlich unangebracht scheint.
    Von religiöser Verbissenheit oder konfessioneller Doktrin keine Spur.
    Wie zur Bestätigung erscheint am Schluß von St. Patrick’s parade in Cahirciveen ein ungeheurer, auf einen Wagen gestemmter Busen, der dann und wann von seinem Wächter gestreichelt und auch sonst pfleglicher Behandlung unterzogen wird.
    Ich weiß bis heute nicht, was das Schlußlicht aus Pappmaché bedeutet hat, ich weiß nur: Es kann noch gar nicht lange her sein daß in dem katholischsten aller katholischen Länder ein solches Gebilde in der Öffentlichkeit vorzuführen völlig unmöglich gewesen wäre.
    Aber da kommt noch ein Nachzügler heran, gut fünfzig Meter hinter dem Ende des offiziellen Zuges. Er schiebt eine Karre vor sich her, auf der etwas rotiert, puffend, knatternd und, den Pausen zwischen dem asthmatischen »Töff! Töff!« nach zu urteilen, auch höchst widerwillig: der Paraffinmotor, der zwar nicht erfolgreich war, aber umweltschonend gewesen wäre.
    Sein Dompteur freut sich sichtlich, weist mit großen Gebärden auf das stotternde Unikum, tänzelt hinter ihm her und hat die volle Aufmerksamkeit eines Publikums, das den Verspäteten offenbar erwartet und deshalb am Straßenrand ausgeharrt hatte.
    Was der Apparat mit St. Patrick und seinem großen Tag zu tun haben soll, das bleibt mir allerdings schleierhaft, wie so manches an diesem Umzug, ausgenommen die unverwechselbare Karikatur des Nationalheiligen und Schlangenwürgers mit der windgefährdeten Tiara auf dem Kopf.
    Dennoch bereue ich es nicht, gekommen zu sein, im Gegenteil, auch wenn jetzt die Sonne scheint, ohne daß es dadurch warmer wird.
     

Irish stew und Ritterschlag
     
    Wieder im Haus am Kliff, spätnachmittags.
    Ein Blick aus dem Küchenfenster - es ist fast windstill, und über der See liegt noch Dunst.
    Ich beschließe, mich an ein Irish stew zu machen - zum erstenmal in meinem Leben.
    Zwar soll es hier irgendwo ein Kochbuch geben, aber ich glaube, das Rezept zu kennen, nachdem ich inzwischen noch zweimal bei Grudle’s war. Meinem Instinkt vertrauend, hatte ich gestern die Zutaten eingekauft. Die Zubereitung ist leicht in einer Küche, der es an nichts fehlt, eingeschlossen einen Kartoffelschäler.
    Nachdem ich zerkleinert habe, was zu zerkleinern war, gebe ich Butter in den Topf und setze ihn auf die Elektroplatte, die bald vorbildlich arbeitet. Dann brate ich den Speck an und füge alles andere langsam hinzu: mageres, in Würfel geschnittenes Hammelfleisch, Möhren, Steckrüben, Zwiebeln, Kartoffelstücke, Knoblauchzehen und - Weißkohl (dies, zugegeben, nach eigenem Gusto, als kulinarisch erwünschte Zugabe jenseits der irischen Tradition). So geht es Lage um Lage, immer reichlich Pfeffer und Salz dazwischen. Dann, als alles im Topf ist, nehme ich mir ein Herz, suche das Kochbuch, finde es und schlage das Originalrezept auf. Gar nicht schlecht - nur die Fleischbrühe, die darauf gegossen werden soll, habe ich vergessen.
    Während es bei mitderer Flamme im Topf vor sich hinschmort, habe ich Muße, aus dem Fenster zu schauen.
    Auf der Weide, nahe am Haus, Maureens Schafe, darunter fünf Lämmer, alle von großer Beweglichkeit, aber eines besonders vibrierend. Wie aufgezogen tollt und hüpft es herum, springt in die Höhe, dabei sämtliche viere vom Boden abgehoben, und blökt und blökt. Ein anderes Lämmchen - früh übt sich - versucht schon aufzureiten, während sich die gemächlich grasenden Alttiere von der Unruhe ihres Wurfes nicht stören lassen, a ei vollführen die Jungen weiter wahre Bocksprünge, kriegen sich nicht vor Lebenslust und Bewegungsdrang, wuseln der

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