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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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die Unentschlossenen, wärmte die Mutlosen, aber wärmte auch das Opfer und den Mörder. Wie ein mahnender Finger schossen Sonnenstrahlen, die sich auf der Turmkugel brachen, auf das Pflaster vor das Café King . Es war, als hätte Gott eine Metapher auf die düstere Erde geschickt.
    Der Alte bäumte sich auf, zuckte wie ein aufgespießter Wurm, aus seinem Mund brach ein Blutschwall, dann lag er einfach da und Max stand auf. Er bückte sich, wischte die blutige Klinge an der Jacke des Toten ab, steckte es ein und ...
    ... kam zu den Gästen herüber.
    Hör auf! Überreize es nicht! Du hast es bewiesen! Hau ab, sonst fassen sie dich! Denke an das Zeitfenster! In weniger als zwei Minuten wird es hier vor Polizei wimmeln!
    Am liebsten hätte Lena die Kamera weggeworfen und wäre zu Max gelaufen, doch das konnte, das durfte sie nicht. Sie hatte eine Aufgabe , und die galt es zu erfüllen, so wie er seine erfüllt hatte.
    Hinter ihm breitete sich unter dem Opfer eine Blutlache aus, die auch bei größter künstlerischer Toleranz kein Blutbeutel sein konnte.
    Max stand dort, wo er gestartet war. Er reckte sich, als habe er eine sportliche Leistung vollbracht.
    Du bist nur wenige Handbreit von den Zuschauern entfernt. Sie werden dich überwältigen. Sie werden dich festhalten, bis die Polizei da ist. Verschwinde, Max!
    Entgeistert registrierte Lena die Angst auf den Gesichtern derer, die verharrt hatten. Doch sie sah auch den aufflammenden Mut. Nun war Max in ihre Mauern eingebrochen. Nun waren sie diejenigen, die ihn abwehren konnten. Vielleicht die Möglichkeit, einen Mörder zu stellen.
    Max ging zwischen den Tischen umher und starrte sie alle an. Einen nach dem anderen und jedes Mal flüsterte er, nein, er spie es aus: »Feiglinge! Verdammte Feiglinge!«
    Männer, größer als Max, selbstbewusst wirkende Frauen, heulende Kinder, sie alle duckten sich unter seinem Blick, krochen in sich zusammen, verknotete Haufen Fleisch unter der Anklage des Mörders.
    »Ihr alle seid Mörder!«, fauchte Max. »IHR ALLE SEID MÖRDER! Ihr alle drückt den letzten Knopf!« Seine Stimme wurde immer lauter, schnappte fast über und nahm einen hohen hysterischen Ton an. »DRÜCKT DEN LETZTEN KNOPF!«
    Lena fürchtete sich, er würde hier verharren und seinen Schmerz so sehr genießen, dass es für ihn zu spät wäre.
    In der Ferne heulten Polizeisirenen.
    Das pochende Geräusch eines Hubschraubers näherte sich.
    Verschwinde, Max. Bitte lauf weg!
    Max blieb inmitten der Caféhausstühle stehen und schüttelte langsam, theatralisch den Kopf. Mit dieser einfachen banalen Kopfbewegung verurteilte er sie alle.
    Dann rannte er los.
    Und nun geschah es.
    Männer und Frauen sprangen auf, verließen ihre Komfortzone und rannten hinter ihm her.
    Was immer auch geschehen war, etwas hatte sich verändert. Nun war Max nicht mehr Jäger, sondern Gejagter. Aus dem Leoparden war die lahme Gazelle geworden.
    Doch Max war behänder als eine Gazelle und überhaupt nicht lahm, war schnell und verschwand die Treppe hinunter in die Schächte der U-Bahn.
    Lena schaltete die Kamera aus und blickte auf ihre Uhr.
    Alles war genau getimt.
    Wenn alles gut ging, musste Max keine dreißig Sekunden warten, um in die Bahn zu springen, die ihn wegbrachte. Er wäre verschwunden wie ein Geist.
    Und auf dem Alexanderplatz lag ein Toter, um den sich langsam eine Menschentraube bildete, während ein P olizeiwagen auf den Platz raste, dem weitere folgen würden.
    Lena packte die Kamera in die Handtasche und ging davon, nicht ohne zuvor fünf Euro auf den Tisch gelegt zu haben. Der Latte war unangetastet.
    »So wie damals!«, hallte der Ruf der Greisin über den Alexanderplatz. »So wie damals!«

28
     
    Alle Sender berichteten.
    Die Medien überschlugen sich.
    Wackelige, unscharfe Handyvideos flackerten über den Bildschirm.
    »Es wird Zeit, deinen Film zu verschicken«, sagte Max. »Er ist um Klassen besser und genauer als dieses Gewackel.«
    » Es war grausam, Max.«
    » Ich weiß.«
    » Gab es keine andere Möglichkeit?«
    » Gab es eine?«
    Sie schwieg und schüttelte langsam den Kopf.
    Er hatte sich geduscht, wohingegen Lena gebadet hatte. Sie liebt es, im warmen Wasser zu liegen und zu entspannen.
    » So, wie ich ihn aufgenommen habe? Oder willst du ihn schneiden?«
    Sie hatten den Film gemeinsam angeschaut, ein grausiges Erlebnis.
    »Genau so, Lena.«
    » Und wohin?«
    » An RTL.«
    » Warum nicht an das ARD oder an eine Nachrichtenagentur?«
    Max grinste. »RTL gehört

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