Mein Ist Die Nacht
während er diesen so genannten neuen Medien ein
wenig skeptisch gegenüberstand, so beherrschte Rebecca das
weltweite Netz fast schon blind. Sie wusste, welche Seiten sie
anzuwählen hatte, um das zu finden, wonach sie suchte. Nach
Gleichgesinnten.
»Du weißt,
was ich im Internet suche«, sagte sie und blickte zu ihm auf
Ihre Stirn war glühend heiß, und es dauerte einige
Sekunden, bis sie in der Wirklichkeit angekommen und der Zauber der
Leidenschaft wie weggeblasen war.
»Ja.«
Seine Stimme klang kalt, emotionslos. »Du bist die
Königin der Nacht«, spottete er.
»Und du
weißt, dass ich mir das alles nicht
einbilde.«
»Wer ist der
Typ, mit dem du da chattest?« Wieder ein Blick auf den
Monitor. »Dark Lord nennt er sich also. Wer ist er? Ein
Werwolf? Ein Vampir? Ein … Zombie?« Roland lachte
verbittert auf.
Jetzt blickte sie sich
doch zu ihm um. »Ein … Freund.« Sie schluckte.
»Er ist wirklich nur ein Freund, und du musst keine Angst
haben, Roland. Wirklich nicht.«
Er beugte sich
über sie und studierte die letzten Einträge im
Chatfenster. »Das soll also nur ein Freund sein?«,
brummte er. »Ja.«
»Du
erzählst ihm mehr über deine Gedanken und Gefühle
als du mir erzählst, wenn ich das hier richtig sehe«,
stellte Roland fest. »Er hat dich geil gemacht. Deshalb hast
du meinen Schwanz in den Mund genommen. Du machst die Augen zu und
stellst dir vor, dass er es wäre. Und wenn wir im Bett
gelandet wären, hättest du dir auch vorgestellt, dass er
es ist, der dich fickt, nicht ich, stimmt's?« Seine Stimme
klang verbittert, wütend und enttäuscht
zugleich.
»Das ist
Unsinn«, erwiderte sie leise. Tränen sammelten sich in
ihren grünen Augen. Rebecca zitterte.
»Wenn es nicht
so ist, dann frage ich mich, warum du den ganzen Abend vor dem
Rechner sitzt und dich mit wildfremden Kerlen
unterhältst.«
»Du weißt
genau, warum ich das tue«, erwiderte sie.
»Wann hörst
du endlich auf mit dem Scheiß?«, fragte er wütend.
»Du bist kein Vampir, so was ist der größte
Unsinn, und so was gibt es nicht!«
»Woher willst du
das wissen?«, fragte sie trotzig. »Ich fühle mich
so seit meiner Kindheit, und das, was ich hier …«, sie
deutete mit dem Daumen auf den Monitor, »… das, was
ich hier suche, sind lediglich Leute, die genauso empfinden wie
ich.«
»Spinner sind
das«, grollte Rolands Stimme durch die dunkle Wohnung.
»Grufties, Verrückte, Sektenheinis. Was weiß denn
ich? Die treiben sich nachts auf Friedhöfen rum, schlachten
Hühner und trinken deren Blut. Ist es das, was dich geil
macht?« Er blickte sie zornig an, und als Rebecca nicht
antwortete, fuhr er fort: »Du bist so blöd, dich diesen
Perversen anzuvertrauen.«
»Clay ist nicht
pervers«, schrie sie. »Er versteht mich wenigstens. Er
denkt und er handelt genau wie ich. Er ist wie ich. Eine Sache, die
du wohl nie verstehen wirst.«
»Und deshalb
machst du jede Nacht diese dämlichen Rollenspiele? Deshalb
bildest du dir ein, zu den Geschöpfen der Nacht zu
gehören? Deshalb betrügst du mich mit diesem …
Kerl?« Er spie ihr das Wort ins Gesicht, und sie wich
verängstigt und zugleich verärgert zurück. Doch er
hatte noch nicht genug. »Das ist kindisch, Rebecca. Und das
weißt du. Es gibt keine Vampire, und du bist erst reicht
keines dieser Nachtgeschöpfe, wie du es so gern nennst.«
Er winkte ab. »Aber bitte tu, was du nicht lassen kannst.
Ich möchte dir nicht im Weg stehen. Werde glücklich mit
deinem geisteskranken Blutsauger.« Roland wandte sich
kopfschüttelnd ab und verschwand im Schlafzimmer. Sie
hörte, wie er sich am Kleiderschrank zu schaffen machte und
erhob sich. Kleinlaut und plötzlich von Schuldgefühlen
geplagt folgte sie ihm. Roland hatte sich angezogen. Seine Augen
funkelten wütend, als er sie ansah.
»Was hast du
vor?«, fragte sie.
»Ich werde dir
nicht mehr im Weg stehen«, erwiderte er gallig.
»Und ich werde
dich nicht aufhalten.« Tränen schimmerten in ihren
Augen. »Ich hatte gehofft, dass du mehr Verständnis hast
für meine Lage, schluchzte sie.«
»Ich hatte
gehofft, dass du eines Tages vernünftig wirst.« Er
marschierte an ihr vorbei, zog sich in dem kleinen Flur die Jacke
über und nahm den Haustürschlüssel vom Brett.
»Ich halte es nicht aus. Werd dir erstmal klar über das,
was du bist und was du willst, dann können wir überlegen,
ob es eine Zukunft gibt für uns.« Ohne sie eines
weiteren Blickes zu würdigen, verließ er die Wohnung.
Dass seine Frau gerade weinend im
Weitere Kostenlose Bücher