Mein Ist Die Nacht
sein
würde. Wie ausgehungert fielen sie übereinander her und
vergaßen für einen Moment, dass nebenan das Kinderzimmer
lag.
61
4.25
Uhr
Anfangs dachte sie,
dass sie mal wieder vor dem Fernseher eingeschlafen wäre.
Stampfende Rhythmen bohrten sich in ihr Unterbewusstsein.
Rammstein, registrierte sie und zog sich die Decke über den
Kopf. Doch die Musik verstummte nicht, ganz im Gegenteil. Unter
Rammstein mischte sich jetzt auch noch das wütende Summen
einer Hornisse. Ein unwilliges Brummen kam über Frankas
Lippen. Sie vergrub den Kopf so weit es ging im Kopfkissen. Doch
die Kakophonie verstummte nicht, fhr Herz schlug ihr bis zum Hals,
als sie die Augen öffnete und sich in der Dunkelheit ihres
kleinen Schlafzimmers wiederfand. Ein geisterhaftes Leuchten auf
dem Nachtschränkchen zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Franka
streckte die Hand aus und angelte nach dem Telefon. Prompt wischte
sie das Gerät vom Schrank. Scheppernd schlug es am Boden auf.
Sofort kehrte Ruhe ein. Schlaftrunken spürte Franka, dass
etwas nicht stimmte. Sie richtete sich schwerfällig im Bett
auf und knipste die kleine Nachttischlampe an. Der Schein blendete
sie. Sie blinzelte und sah das Handy auf dem Boden liegen. Es hatte
sich bei dem Sturz in seine Einzelteile zerlegt. Der Akku lag neben
dem Gehäuse. Kein Wunder, dass schlagartig Ruhe eingekehrt
war. »Mist«, brummte Franka und ging neben dem Bett in
die Knie, um die Einzelteile ihres Handys wieder zusammen zu
setzen. Nachdem sie das Gerät wieder montiert hatte,
drückte sie den Einschaltknopf und gab ihre PIN ein. Es
dauerte einen Moment, bis sich das Telefon ins Netz eingewählt
hatte. Dann sah sie den vergeblichen Ruf im Display. Micha.
Gleichzeitig wusste sie, dass die Nacht schon wieder vorüber
war. Sie drückte die Rückruftaste.
»Mein Gott, hast
du einen festen Schlaf, brummte er.
»Komm auf den
Punkt.« Franka gähnte ungeniert in den Hörer und
rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Ich muss dir wohl nicht
sagen, wie spät es ist.« Mit dem Telefon am Ohr
kletterte sie auf die Bettkante. Sehnsüchtig blickte sie auf
die verwühlten Laken. Erst jetzt spürte sie, wie
müde sie eigentlich war.
»Schimpf nicht
mit mir, mich haben die Jungs von der Kriminalwache auch aus den
süßesten Träumen gerissen. Die Dinge
überschlagen sich.«
»Du sprichst in
Rätseln«, beschwerte sich Franka und unterlag einem
weiteren Gähnanfall.
»Punkt eins:
Unser Beißer hat wieder zugeschlagen.«
Franka war auf der
Stelle hellwach.
»Ein
Kurierfahrer, der wegen einer Autobahnvollsperrung auf die
Landesstraße 432 ausgewichen ist, hat auf einem
Wanderparkplatz an der Straße Einern zwecks Pinkelpause
angehalten und dort ein auffälliges Fahrzeug bemerkt. Als er
sich dem Wagen näherte, sah er die tote Frau im Auto liegen.
Sie war unbekleidet, gefesselt und geknebelt. Im
Oberkörperbereich wies der Leichnam starke Bisswunden
auf.«
»Scheiße«, kam
es über Frankas Lippen.
»Allerdings.
Aber das ist noch nicht alles: Bever hat auch eben angerufen: Sie
haben Baumann gefunden. Leider zu spät, denn er wurde mit
einer kleinkalibrigen Waffe erschossen. Man fand ihn in einer alten
Fabrikhalle, wo er angeblich zu einem Termin mit einem
Kaufinteressenten verabredet war.«
»Ich habe gerade
so ein Déjà vu«, murmelte Franka fassungslos.
Clay hatte also wieder zugeschlagen. Dass er diesmal eine Pistole
benutzt hatte, um sein Opfer aus dem Weg zu räumen, war neu.
Sollte er tatsächlich hinter Baumanns Mord stecken, gingen
jetzt vier Menschenleben auf sein Konto.
»Wie hat man ihn
gefunden?«
»Nach der
ergebnislosen Fahndung hat Bever den Druck erhöht und sein
Handy orten lassen. Mellinghaus und Hanser haben ihn in der Ruine
in Varresbeck gefunden. Sie sind vor Ort und veranlassen alles
Nötige.«
»Das würde
bedeuten, dass Baumann kein schlechtes Gewissen hatte, denn sonst
hätte er sicherlich sein Handy abgeschaltet, um zu vermeiden,
dass wir ihn orten können.«
»Er ist…
er war clever.«
»Wann kannst du
hier sein?«, fragte sie.
»Warum?«
»Ich will mir
die Tote ansehen.« Franka erhob sich und wanderte durch das
Schlafzimmer. Sie trat an das Fenster, zog die Gardinen einen Spalt
breit auseinander und blickte hinab auf die menschenleere
Straße. Schneefall hatte eingesetzt und den Asphalt mit einer
weißen Schicht überzogen, die jetzt im Licht der
Straßenlaternen glitzerte. Eigentlich liebte sie diese
friedliche Stille in den Winternächten. Doch
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