Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Jahr als Mörder

Mein Jahr als Mörder

Titel: Mein Jahr als Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Aufräum-arbeiten und organisiert die Unterbringung und Verpflegung auswärtiger Handwerker. Der Mangel an Arbeitskräften, Kraftfahrzeugen und Kraftstoff lässt den Abtransport der Schuttmassen nicht mehr zu, Richter schlichtet die Egoismen der Innungen. Und so einer druckt in seiner Wohnung Flugblätter? Diskutiert mit seinen Freunden, sogar mit ausländischen Arbeitern, über den Sturz der Nazis?
    In dem Abriss seines Lebens, den er in der Haft verfasst, spricht Richter von zwei großen unglücklichen Lieben, bevor er 1939 Maria Klotz heiratet. Er klagt über den «unglück-seeligen Krieg», schon 1940 verwüstet eine Brandbombe seine Wohnung. Er wird Vater, seine Frau zieht mit dem Sohn, der Bomben wegen, in das Wochenendhaus am Scharmützelsee, während er durch das Reich fährt und Bombenschäden registriert.
    Seit 1937 ist er mit Rentsch befreundet, seit 1940 mit Gros-curth und Havemann. Über keinen der Freunde äußert er sich vor der Gestapo so liebevoll wie über Groscurth: Dr. G. ist ein überaus geistig hochentwickelter Mann. Ich sehe in ihm einen der in der Zukunft bedeutendsten Mediziner. Daneben ist Dr. G. ein außerordentlich vielseitiger und unterhaltsamer Gesellschafter, der mit beiden Beinen im Leben steht und regen Anteil nimmt am Gesamtleben des Volkes. Er hat auf Grund seiner exponierten beruflichen Stellung Gelegenheit, mit allen Schichten der Bevölkerung zusammenzukommen, wodurch ihm die Möglichkeit gegeben ist, Einblick in das Leben höchster und niedrigster Kreise zu gewinnen. Dr. G. ist als Arzt und Mensch bemüht, zu helfen, wo geholfen werden muß und wo er zur Hilfeleistung in der Lage ist. So betrachte ich auch sein Eintreten für die Juden v. Schewen und Michaijlowitsch als einen Ausfluß seiner persönlichen Gutmütigkeit. Ich glaube nicht, daß er damit einen politischen Zweck verfolgen wollte. Mir ist bekannt, daß Dr. G. mittellose Patienten behandelt und von ihnen nie-mals Geld verlangt. Darüber hinaus stellt er solchen Patienten sogar noch Medikamente kostenlos zur Verfügung. Dr. G. ist ein wirklicher Idealist. Seine sozialen Eigenschaften sind wirklich vorbildlich.
Wie viele Köpfe hat die Hydra?
    Robert hat schöne Augen und noch eine Bitte. Ob Anneliese im Groscurth-Ausschuss zum Schutze der demokratischen Rechte und zur Verteidigung der Patrioten in Westberlin, so lang ist der Titel, als Präsidiumsmitglied mitwirken könne neben zwei renommierten Professoren. Rein formal, sagt er, da hast du keine Arbeit, es macht sich besser in der Öffentlichkeit, wenn wir dich ganz offiziell als Witwe von Georg dabeihaben.
    Anneliese weiß nie genau, ob es Robert ist oder seine Partei, die den Ausschuss gründet, zusammenstellt und lenkt, denn Robert ist eins mit der Partei und die Partei mit ihm. Sie rätselt manchmal, wo der Freund aufhört und die Partei anfängt. Robert ist der einzige Mann, der ihr Komplimente macht und sie stützt, der einzige Mann, mit dem sie über Georg sprechen kann, der einzige, der ihr eine neue Arbeitsstelle anbietet, Betriebsärztin beim Rundfunk in der Masurenallee.
    Ende September hört der Groscurth-Ausschuss in der Humboldt-Universität Opfer und Zeugen der Vorfälle vom 15. August. Es ist furchtbar, was die jungen Leute während der zweitägigen Verhandlung berichten. Noch stärkere Empörung lösen bei Anneliese die Aussagen eines beteiligten Polizisten aus, der, von der verordneten Brutalität seiner Kollegen entsetzt, in der Zwischenzeit zur Ostberliner Polizei übergelaufen ist.
    Sicher, es ist ein Tribunal, aber für eine gute Sache. Robert tut sich besonders hervor, er ist in seinem Element. Anneliese bewundert ihn: Robert meint immer, er könne mit seiner Klugheit die halbe Welt dirigieren. Er sieht überall Beispiele für die Wiedereinführung des Faschismus und spricht nicht nur Polizei und Senat schuldig, nicht nur Ernst Reuter, Konrad Adenauer, Kurt Schumacher und einige Westberliner Chefredakteure, er klagt für die Kreuzberger Wasserwerfer und Knüppel den ganzen Kapitalismus an und die amerikanischen und deutschen Rüstungsmagnaten und die in ihren Händen befindlichen Regierungen in Washington und Bonn.
    Ein Schuldspruch, wie aus den Leitartikeln des Neuen Deutschland geschneidert, verkündet von Havemann, verbreitet im Osten, verschwiegen und archiviert im Westen.
    Am 9. Oktober bei der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht sitzt Frau Groscurth allein, ihrer Sache sicher, ohne Anwalt. Mit höhnischer Stimme serviert der

Weitere Kostenlose Bücher