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Mein Jahr als Mörder

Mein Jahr als Mörder

Titel: Mein Jahr als Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die am 15. August 1951 an den Sektorengrenzen in Westberlin geschahen, zu untersuchen. (So sachlich kann eine Propagandistin nicht denken, geschweige denn schreiben.) Das Ergebnis der Untersuchung liegt nun vor. (Punkt. Eine Kommunistin der fünfziger Jahre wäre zu solcher Lakonie nicht fähig.)
    Wir lernen daraus zweierlei. Zunächst: Das Ergebnis des 15. August 1951 ist weder ein Zufall noch ein einzelnes Ereignis (auch heutige Historiker müssten da zustimmen), sondern ein Glied in einer Kette von faschistischen Provokationen (Propagandaton, aber andere Begriffe hat sie aus ihrer Erfahrung nicht), die in den letzten Monaten in Berlin durchgeführt wurden.
    Die Folgerung daraus heißt: konsequenter Kampf gegen jede Form des Faschismus, und zwar sofort, im Beginn. Faschismus aber bedeutet Krieg. (Da spricht die Erfahrung - außerdem hat Frau Groscurth den vor dem Bundestag gesprochenen Satz von Adenauers Innenminister Lehr noch im Kopf, er würde Hitler gern ein zweites Mal die Tür öffnen.)
    Dieses Dokument soll ein Beitrag zur Entlarvung der Kriegshetzer sein, denn sie sind die Feinde der Menschheit. (Ein Propagandasatz, der sich aber von ähnlichen in stalinistischer Zeit formulierten Sätzen abhebt durch einen wohltuenden Mangel an Adjektiven, Superlativen, Tautologien und Ausrufungszeichen.)
    In einer Zeit, in der in Ost und West jede politische Regung ideologisch aufgedonnert wird, ist es fast unmöglich, eine eigene Meinung, eine eigene Sprache zu finden: Sie versucht es. Sie zieht sich aus dem Ausschuss zurück. Sie hat den Namen geliehen, zwei Tage der Verhandlung zugehört, das Vorwort geschrieben, das genügt. Politik ist ihre Sache nicht. Sie muss sich um die eigenen Rechte kümmern, um die Klagen, um die Söhne, die Patienten, Hausbesuche, Broterwerb.
    Der Groscurth-Ausschuss arbeitet weiter, in einem Büro in der Friedrichstraße in Ostberlin, Havemann und die ändern Funktionäre behalten ihr Forum. Der Ausschuss leistet Westberlinern Rechtshilfe, über 2000 Menschen sind in den Westsektoren allein im Jahr 1951 wegen «Propaganda für die Volksbefragung» verhaftet, weit über 1000 angeklagt worden. 1952 werden Broschüren publiziert wie Die Verletzung der demokratischen Grundrechte in Westberlin, Der Fall Dr. Anneliese Groscurth, Frontstadt-Terror in Westberlin. Dann werden Havemann neue Aufträge in der Universität zugewiesen, bald verschwindet auch der Ausschuss aus der Presse, aus der Friedrichstraße. Die SED war zufrieden, wie man heute in alten Akten lesen kann: Genosse Robert Havemann hat bei allen diesen Arbeiten die Aufträge der Partei zuverlässig durchgeführt.
    Die Einzige, die am Ende die Rechnung bezahlt, ist die Frau aus dem Westen, die, teils gutwillig, teils widerwillig, teils aus Einsicht, teils aus Not ein paar Wochen mitgemacht hat. Die geglaubt hat, mit dem Namen ihres Mannes den Widerstand aus der Vergessenheit zu holen. Die nicht bedacht hat, dass die Behörden Westberlins den Namen Groscurth nicht mit Dr. Georg, sondern allein mit Dr. Anneliese verbinden. Und die unterschätzt hat, dass Beamte, denen man Rechtsbrüche nachweist, nicht zu Einsicht, Reue und Milde neigen.
Schleswig gegen Mexiko
    Im Schnee am Lietzensee schwärmte Catherine von Mexiko. Einen Tag und eine Nacht lang hatte es geschneit, das Chaos wurde ausgerufen, die Stadt kam aus dem Takt, die Leute wurden heiter. Es gibt nur wenige Tage im Jahr, an denen die Berliner sich gut gelaunt zeigen. Am ersten warmen Frühlingstag, beim Laufen über gefrorene Seen und nach dem ersten kräftigen Schneefall geschieht das Wunder. Sie blicken zum Himmel auf, schauen sich staunend an und wieder ins Weite, wie erlöst vom Bann ihres Missmuts. Für kurze Zeit glauben die Städter sich einverstanden mit der Natur und sperren sich nicht gegen die Neigung, glücklich zu sein.
    Als die Schneepflüge die gröbste Arbeit getan hatten, fuhren wir zum Lietzensee, um den Wundertag mit einem Spaziergang zu feiern. Catherine mit schwarzer Mütze über dem rotbraunen Haar vor Schneehintergrund, wir hakten uns ein, bester Laune, und verdarben uns trotzdem alles.
    Wie verliebt sprach sie über Maya und Azteken, pries unbekannte Landschaften, den Dschungel und die moderne Architektur, begeisterte sich an fernen Vulkanen und Wandbildern von Rivera. Ich hatte keine Ahnung von Mexiko, war überrascht von ihrem Enthusiasmus und ihren Kenntnissen, frisch aus dem Reiseführer gepflückt oder Hugo abgelauscht. Schon am Tonfall ihrer Sätze war

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