Mein Jakobsweg
hatte mich gerufen, die zusammen mit ihrem Freund vor Sarria so lange mit mir gegangen war. Tom und Elisabeth sind auch hier. Dann der Pilger vom Nordkap, der sich nach seinem Schnee sehnte. Und das holländische Paar, das von hier aus gesehen ja aus meiner Nachbarschaft kommt: Niederlande und Niederrhein. Es ist ein Kommen und Gehen, wir feiern und... man muss sich diesem Weg öffnen und seiner Seele und den Füßen freien Lauf lassen! Dann gelingt der Weg, und man gelangt sogar bis weit über das Ziel hinaus.
Becky aus Seattle lerne ich hier kennen, die mit ihrer Freundin unterwegs ist. »A Walk to Remember« lautet der Schriftzug auf Beckys himmelblauer Gürteltasche. Eine wunderbare Beschreibung des Jakobswegs! Ein Weg, der in Erinnerung bleibt, aber auch: Ein Weg der Erinnerung - das ist er wahrhaftig.
Becky und mich verbindet ein ähnliches Schicksal. Aus unserer Begegnung wird eine bleibende Freundschaft entstehen. Viele Briefe werden in den kommenden Jahren über den großen Teich hin und her fliegen. Der Wunsch, gesund zu bleiben, fliegt immer mit.
Damit ich wieder nach Hause fliegen kann, muss ich morgen früh vor der Fahrt nach Finisterre als Erstes mein Flugticket ändern lassen. Bei Vorlage der Pilgerurkunde gibt die Iberia einen Pilgerrabatt, wie auch Bus- und Bahnlinien bei erfolgreicher Pilgerschaft einen Preisnachlass gewähren. Bei mir wird sich das leider als nicht möglich herausstellen, weil ich den Rückflug bereits in Deutschland gebucht habe.
Finisterre
Am Ziel deiner Wünsche wirst du
jedenfalls eines vermissen:
dein Wandern zum Ziel.
Marie von Ebner-Eschenbach
D ie Fahrt mit dem Bus führt durch eine hügelige Landschaft mit etwas Wald und Feldern und durch kleine abgeschiedene Dörfer. Wie überall blüht auch hier der Ginster. Lange fahren wir durch Eukalyptuswälder. Die letzte größere Stadt heißt Cee. Dort liegen im Hafen richtig große, seetüchtige Schiffe vor Anker.
Weiter geht es auf einer schmalen Straße immer am Meer entlang. Das Grün der Sträucher vermischt sich mit dem tiefen Blau des Wassers. Hin und wieder sehe ich im Sonnenlicht weiße Strände mit dem schillernden Glanz von Perlmutt. Das sieht ganz zauberhaft aus.
Während der Fahrt nach Finisterre denke ich an die zwei jungen Männer, die heute morgen in aller Frühe losgegangen sind und nun hier irgendwo ihren Weg gehen - der eine aus Dresden, der andere aus Salzburg. Erst gestern haben sie sich in der Herberge kennengelernt. Heute pilgern sie gemeinsam bis an das Ende der Welt.
Pilger, die von Santiago auch noch bis Finisterre gehen, müssen sehr gut zu Fuß sein. Die Etappen sind etwa 35 Kilometer lang, in den kleinen Ansiedlungen dazwischen kann man nicht übernachten. Auch die Betten in der Herberge in Finisterre können nur an Fußpilger vergeben werden, es sind zu wenige. Noch scheint der Tourismus in weiter Ferne.
Aber ein paar Meter weiter ist ein Hotel. Dort habe ich ein schönes Zimmer mit zwei großen Fenstern zum Hafen hinaus. »Restaurante Fin de Camino« steht auf einem großen Holzschild vor einer Bar. Ich gehe hinein und bestelle ein kleines bocadillo. Wie mögen wohl die großen aussehen, wenn meines schon rechts und links über den Teller ragt! Mit einem Glas Rotwein und Wasser bezahle ich gerade mal 3,50 Euro.
Finisterre ist ein romantischer kleiner Fischerort auf einer Halbinsel im Atlantik. Weiße Häuser, eng gebaut, ziehen sich den Hang hinauf. Unten im Hafen liegen im Schutz der Mole die kleinen Fischerboote. Gerade so wie auf den Bildern des Aquarellmalers aus Santiago sind die Boote in roter oder grüner Farbe und mit leuchtendem Weiß lackiert.
Auf der Mole reparieren Fischer ihre Netze und kontrollieren die Reusen, die aufeinandergestapelt an der Mauer liegen. Im schillernden Sand laufen weiße Möwen hin und her, tauchen emsig ihre gelben Schnäbel ins Wasser. Manchmal lässt sich auch eine größere Möwe nieder, die sich durch ihren dunklen Schnabel und das graubraun gesprenkelte Gefieder von den anderen unterscheidet. Gegenüber den anderen ist sie sehr scheu. Sobald ich mit dem Fotoapparat näher komme, hebt sie sich mit lautem Ruf in die Lüfte und schwebt davon.
Von Nahem ist der Strand nicht ganz so weiß. Kleine grüne und weiße Steinchen liegen verstreut, die wie Glas aussehen. Vom Meer geformt und an Land gespült, liegen sie wie bunte Tropfen im Sand.
Die Kelten verehrten diesen Ort schon vor mehr als 2000 Jahren. Sie glaubten sich hier am Ende
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