Mein Jakobsweg
der Welt. Obwohl ich ihre religiösen Gründe dafür nicht kenne, ist das aus der Stimmung des Ortes heraus nachvollziehbar. Denn obwohl bei hellem Sonnenschein und blauem Himmel lediglich ein paar weiße Wölkchen über das Meer treiben, ist es hier nicht wie sonst, sondern auch irgendwie unheimlich. Denn ganz weit draußen scheint sich das Meer in einer dichten Nebelwand aufzulösen, und in diesem Horizont verliert sich auch der immer grauer werdende Himmel. Man spürt die ganze Größe der Schöpfung.
Ich liebe das Meer, nicht nur wegen seiner Großartigkeit. Dieser kleine Hafen erinnert mich auch an unseren Ferienort am Mittelmeer, wo wir immer mit unseren Kindern hingefahren sind. Die Kinder waren klein, wir waren jung und hatten unsere Zukunft noch vor uns. Und wir waren so überreich an Liebe und Unternehmungslust.
Mit Brot und Käse und einem Kuchen kehre ich in mein Zimmer zurück. Dort genieße ich dann erst einmal ein ausgiebiges Bad. Die Wanne ist zwar viel zu kurz, trotzdem lasse ich mir immer wieder Wasser dazu. So viel Ruhe hat man ja in den Herbergen nicht. Dort wartet schon immer gleich der Nächste und möchte auch noch warmes Wasser haben. Mit Körperpflege und dem Schreiben von Karten und Tagebuch vergehen die nächsten Stunden. Am Abend gehe ich noch mal zum Hafen hinunter. Ich schaue den Möwen zu, wie sie sich, im Kampf um den besten Schlafplatz, mit lautem Geschrei von Boot zu Boot vertreiben.
Die untergehende Sonne schüttet über dem Meer ihr ganzes Gold aus. Entzückt stehe ich vor diesem Naturschauspiel und sehe, wie das goldene Licht auf den Wellen tanzt, bis sich in einer sanften Brise das Wasser kräuselt und die letzten metallisch schimmernden Lichtreflexe endgültig zerfließen.
Schon eine ganze Weile sitzt ein alter Fischer auf der Kaimauer und schaut mit festem Blick ins Wasser, als suche er dort etwas ganz Bestimmtes. Es sieht aus, als wolle er das Meer beschwören. Bei dem kleinen Leuchtturm, am Ende der Mole, treffe ich auf ein Liebespaar und ziehe mich diskret zurück. Auf dem Rückweg schenkt mir der Fischer ein freundliches Nicken.
Buenasdias, señor, sage ich zum Gruß und bleibe stehen.
Buenastardes, antwortet er.
Sí, buenas tardes, wiederhole ich. Und er fordert mich auf, mich neben ihn zu setzen.
Weil ich ihm so gern sagen möchte, wie schön es hier ist, breite ich meine Arme weit aus, als wollte ich all dies hier umfassen, und sage, muy bonito, señor.
Sí, sí, er nickt bestätigend und schaut weiter ins Wasser. Nach einer Weile sagt er, es seien zu wenig Fische im Netz, und er hoffe morgen auf einen guten Fang.
Mañana, sí, señor, muchos pescados, versichere ich ihm. Doch die Steine sind sehr kalt, und bevor ich mich hier noch erkälte, möchte ich lieber gehen und verabschiede mich.
Adiós, señor, y buenas tardes.
Buenasnoches, señora, wünscht mir der Fischer.
Ach ja, noches! Lachend gehe ich fort.
Von Finisterre nach Santiago
Ach wie ist’s erhebend, sich zu freuen
an des Ozeans Unendlichkeit!
Kein Gedanke mehr an Maß und Räume.
Annette von Droste-Hülshoff
A m frühen Morgen bin ich auf dem Weg zum Leuchtturm. Mir war, als müsste ich unbedingt noch dorthin, um meinen Weg endgültig zu beenden. Dass das noch mal so anstrengend und unbequem sein würde, hätte ich aber nicht gedacht! Nach dem ersten steilen Stück verläuft die schmale Straße dann auch nicht gerade eben, und ich benötige für die fünf Kilometer fast zwei Stunden.
Einsam ist es hier. Niemand außer mir ist da. Weit im Westen vereinigen sich Meer und Himmel, verdunsten im Nebel. Vom Atlantik weht ein kühler Wind, die wärmende Sonne steht mir im Rücken. Ich sehe dem Tanz der Wellen zu, dem Meer in seiner ewigen Bewegung.
Mit Finisterre ist meine Pilgerreise endgültig zu Ende. Ich errechne, wie viele Kilometer ich nun tatsächlich gegangen bin, und wie viele ich leider, weil meine Gesundheit nicht die beste ist, fahren musste. Von den 500 Kilometern ab Burgos bin ich gut 250 Kilometer lang eine echte peregrina gewesen. Bin bergauf und bergab über steinige Wege, manchmal in völliger Einsamkeit, manchmal auch ohne Essen oder Trinken meinen Weg gegangen - was streckenweise eine Qual war, die mich an die Grenzen meiner Kraft geführt hat. Auch wenn ich nicht die ganze Strecke gepilgert bin, war mein Weg doch schwierig genug. Der Insektenbiss, der hätte nun wirklich nicht sein müssen! Dieser ewig schmerzende Fuß hat mich schon sehr behindert.
Was
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