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Mein Leben

Mein Leben

Titel: Mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Clapton
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waren so freundlich, Alice zu besuchen, und brachten sie dazu, mit ihnen in die Priory Clinic zu kommen.
    Wegen unserer gemeinsamen Vergangenheit hielt man es aus ethischen Gründen nicht für vertretbar, dass ich mit Alice in der Gruppentherapie arbeitete, aber dann rief Chris mich einmal an und erzählte, Alice habe wegen unserer Beziehung immer noch viel Wut im Bauch. Sie müssten dieses Thema ansprechen, wenn sie mit ihr weiterkommen wollten, und seien zu dem Schluss gekommen, dass es womöglich hilfreich sei, wenn sie mich direkt mit ihren Gefühlen konfrontieren könnte. Sie gaben mir zu bedenken, dass es ein traumatisches Erlebnis für mich werden könnte, aber da es in Anwesenheit eines Therapeuten geschehen sollte, glaubte ich dem gewachsen zu sein. Als der Tag dann kam, warf sie mir eine volle Stunde lang absolut detailgetreu sämtliche Szenen unserer kaputten Vergangenheit an den Kopf. Mit Schrecken erkannte ich, welchen Schaden ich bei diesem armen Mädchen angerichtet hatte, aber ich musste still bleiben und das einfach nur schlucken. Es war demütigend, und manchmal konnte ich kaum glauben, was ich angeblich alles getan hatte. Es war, als ob sie von jemand anderem erzählte. Am traurigsten fand ich, dass sie mehr als zwanzig Jahre lang diese Gifte konsumiert hatte, um ihrem Bedürfnis nach dem Vergessen immer neue Nahrung zu geben.
    Alice machte in der Priory die komplette Behandlung durch, und wenn ich sie ab und zu mal traf, erkundigte ich mich nach ihrem Befinden. »Es läuft großartig«, sagte sie dann, und das ließ mich hoffen. Ich wusste, sie würde noch lange brauchen, wenn sie aus der Klinik raus war. Sie musste unbedingt eine Beschäftigung finden, irgendeine Betätigung, durch die sie ihre Selbstachtung wiederfinden konnte. Aber vorerst war es schon eine phantastische Leistung, dass sie überhaupt so lange durchhielt. Als sie dann in ein Reha-Zentrum in Bournemouth wechselte, war ich zuversichtlich, dass sie gute Fortschritte machte und bald auf dem Weg zur vollständigen Genesung sein würde.
    Dann brach ich zu einer Amerikatournee auf und sah Alice das nächste Mal auf der Beerdigung meiner Großmutter. Rose hatte zwar schon seit einigen Jahren an Emphysemen gelitten, am Ende aber war sie am Krebs gestorben. Ihr Tod – kurz vor Weihnachten 1994 – war ein schwerer Schlag für mich. Sie war immer eine feste Größe in meinem Leben gewesen, hatte mich bedingungslos geliebt und in allem unterstützt. Zu ihr konnte ich jederzeit gehen, und wenn ich zu Hause in England war, besuchte ich sie sonntags regelmäßig und genoss die köstlichen Dinge, die sie mir kochte. Bis meine Trinkerei einen Keil zwischen uns trieb, hatten wir ein wunderbares Leben und erlebten manch herrlich entspannte Stunden miteinander. Alles in allem war sie bis dahin der einflussreichste Mensch in meinem Leben gewesen.
    In den letzten Jahren hatte ich, von Chris in der Therapie dazu ermuntert, sehr viel Zeit mit Rose und meiner Mutter verbracht, in der Hoffnung, die Wunden heilen zu können, die unsere Beziehung seit so langer Zeit belasteten. Meine Mutter war ziemlich krank und auf etliche Medikamente angewiesen. Ihre extreme Eifersucht, auch in Bezug auf mich, machte das Leben sehr kompliziert. Eine Zeit lang führten sie und Rose einen regelrechten Konkurrenzkampf um meine Besuche bei ihnen. Um die Wogen zu glätten, musste ich bei meinen wöchentlichen Besuchen darauf achten, wen ich jeweils zuerst besuchte, die eine Woche meine Mutter, die andere Woche meine Großmutter und so weiter. Das war anstrengend, und als Rose starb, empfand ich trotz aller Trauer eine gewisse Erleichterung, dass mir dieses schreckliche Spiel von nun an erspart sein würde.
    Vier Monate nach Roses Tod erfuhr ich, dass auch Alice gestorben war. Nachdem sie die Rehaklinik in Bournemouth von sich aus verlassen hatte, spritzte sie sich eine Überdosis Heroin. Die Obduktion ergab zudem, dass sie stark getrunken hatte. Ich war bitter enttäuscht und konnte es kaum fassen. Ich hatte wirklich geglaubt, sie habe eine Chance, aber dann fiel mir wieder etwas ein, das Chris mir erzählt hatte. Als Alice noch in der Priory Clinic war, hatte sie einmal zu Chris gesagt, dass die Qual der Nüchternheit ihr unerträglich sei. Das zeigte mir nur umso deutlicher, wie glücklich ich mich schätzen konnte, dass ich in all den Jahren meiner Trunk- und Drogensucht wenigstens noch meine Musik gehabt hatte. Sie war immer meine Rettung gewesen. Sie ließ meinen

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