Mein Leben
wusste, was er tat. Wir kamen ins Gespräch, und er mochte dieselben Blues-Musiker wie ich, deswegen war ich unbedingt dafür, dass er ein paar Stücke mit uns spielte, aber ich meine mich zu erinnern, dass Ginger ein bisschen feindselig wirkte.
Der Song, den Jimi spielen wollte, war Howlin’ Wolfs »Killing Floor«. Ich fand es unglaublich, dass er ausgerechnet diese Nummer vorschlug, denn sie war verdammt schwer. Natürlich spielte Jimi sie genauso, wie man sie spielen muss, und das hat mich komplett umgehauen. Wenn Musiker zum ersten Mal mit einer Band jammen, versuchen sie meistens, sich zurückzuhalten, aber Jimi ging gleich aufs Ganze. Er spielte die Gitarre mit den Zähnen, hinter seinem Rücken, auf dem Boden liegend und im Spagat, die ganze Palette. Aber es war nicht bloß Blendwerk, sondern auch musikalisch faszinierend.
Obwohl ich schon Buddy Guy gesehen hatte und wusste, dass viele schwarze Gitarristen ähnliche Tricks draufhatten, war es trotzdem unglaublich, eine solche Performance aus nächster Nähe zu beobachten. Auch das Publikum war völlig perplex. Sie liebten es, und ich liebte es, aber ich weiß auch, dass ich gedacht habe: Den Mann muss man auf der Rechnung haben. Er machte mir Angst, weil er ganz offensichtlich ein Riesenstar werden würde. Just in dem Moment, in dem wir unseren Groove gefunden hatten, war er sozusagen das Original.
In Amerika wurde die Single »I Feel Free« auf dem Atco Label veröffentlicht, einer Tochter von Atlantic Records, die von dem türkischstämmigen New Yorker Ahmet Ertegun geleitet wurde, einer legendären Gestalt in der Welt der schwarzen Musik. Er war das Mastermind hinter den Karrieren von Künstlern wie Ray Charles, den Drifters und Aretha Franklin und hatte viele ihrer Alben produziert. Seit er Anfang 1966 nach London gekommen war, um Wilson Pickett, einen seiner Künstler, im Astoria Theatre in Finsbury Park zu sehen, hatte er Interesse an mir gezeigt. Nach dem Konzert hatte er eine Party im Scotch of St. James’s gegeben, einem noblen Club in Mayfair, wo ich mit Picketts Band jammte, was ihn offenbar beeindruckt hat. Kurz darauf wurde Cream von Atlantic unter Vertrag genommen, und als unser erstes Album Fresh Cream in den Staaten veröffentlicht werden sollte, überzeugte Ahmet Stigwood, dass wir zur Promotion unbedingt in die USA kommen mussten.
Wir waren alle sehr aufgeregt. Für mich war Amerika das Land der Verheißung. Mit acht oder neun hatte ich in der Schule als Preis für Ordnung und Fleiß einmal ein Buch über Amerika mit zahlreichen Fotos von Wolkenkratzern, Cowboys und Indianern, Autos und so weiter geschenkt bekommen. Als ich erfuhr, dass wir nach Amerika fliegen würden, erstellte ich eine kurze Liste all der Sachen, die zu tun ich mir immer ausgemalt hatte. Ich wollte zum Beispiel eine Cowboyjacke mit Fransen und Cowboystiefel kaufen sowie einen Milkshake und einen Hamburger probieren. Stigwood hatte uns Zimmer im Hotel Gorham in der West 55th Street gebucht, einem echten Wanzennest, aus dem wir täglich zu den Auftritten oder der Show fuhren, für die wir eigens hergeflogen waren, die Murray »the K« Show .
Murray »the K« Kaufman war der populärste Radio-DJ New Yorks und präsentierte unter dem Titel Music in the Fifth Dimension eine Reihe von Sendungen aus dem RKO-Theater in der 58th Street. Da wir noch keinen Hit hatten, standen wir ganz unten in einem ziemlich prominenten Line-up mit Wilson Pickett, den Young Rascals, Simon & Garfunkel, Mitch Ryder und den Who. Es gab fünf Shows pro Tag, und jeder Künstler mit Ausnahme der Headliner sollte maximal fünf Minuten spielen. Die Shows fingen morgens um halb elf an und gingen bis abends halb neun.
Murrays Frau Jackie war Chefin einer Balletttruppe, ihre Tänzerinnen, im Grunde eher Go-go-Girls, führten zwischen den Sets eine Nummer mit dem Titel »Jackie and the K Girls’ Wild Fashion Show« auf. Murray führte die Sendung wie ein Stabsfeldwebel und hatte strikte Anweisung erlassen, dass die Musiker das Theater zwischendurch keinesfalls verlassen durften. Damit war Langeweile garantiert, die zu allerlei Unfug führte wie überfluteten Garderoben und Mehl- und Rauchbomben. Murray erklärte uns ständig, dass wir den Set noch kürzer machen müssten, und selbst als wir nur noch den Song »I Feel Free« spielten, fand er den noch zu lang. Das Ganze war absolut chaotisch.
Als ich am ersten Tag bei den Proben im Zuschauerraum saß und mir die Auftritte der anderen Künstler ansah,
Weitere Kostenlose Bücher