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Mein Leben

Mein Leben

Titel: Mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Clapton
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waren wir hier, und es führte kein Weg daran vorbei. Zweck der Gruppensitzungen schien es zu sein, durch direkte Interaktion zu erkennen, was aus uns geworden war, und uns gegenseitig dabei zu helfen, die Symptome unserer Krankheit zu identifizieren, indem wir aufrichtig nach den uns gemeinsamen Defekten forschten.
    Leugnen stand ganz oben auf der Liste, gefolgt von Egoismus, Stolz und Unehrlichkeit. Ich erkannte, dass es mir nahezu unmöglich geworden war, ehrlich zu sein, vor allem mir selbst gegenüber. Lügen und Ausweichen war mir zur zweiten Natur geworden. Über all dem aber stand die große Frage: Hatte ich wirklich akzeptiert, dass ich Alkoholiker war? Denn sonst wären Fortschritte kaum möglich. Dass man diesen inneren Kampf ohne Hilfe durchstehen konnte, war undenkbar, und daher waren die Gruppensitzungen unerlässlich. Wir halfen uns gegenseitig, manchmal mit brutalen Mitteln, herauszufinden, wer wir wirklich waren.
    Nach etwa zehn Tagen begann es mir dort zu gefallen. Ich sah mich um und bemerkte die unglaublichsten Typen, einige von ihnen echt schwere Fälle, die schon zum vierten oder fünften Mal in Hazelden waren und noch schlimmere Geschichten zu erzählen hatten als ich. Allmählich freundete ich mich mit diesen Leuten an, und zum ersten Mal seit Jahren konnte ich wieder richtig lachen. Wir »besoffen« uns den ganzen Tag mit Kaffee und sprachen bis spätabends über uns selbst, über unsere Ziele und all das, was wir verloren hatten. Es war eine intensive und wunderbare Erfahrung.
    Oft hörten wir eindringliche Vorträge von Leuten, die uns ihre Geschichte erzählten und wie es ihnen nach langer Zeit gelungen war, von ihrer Sucht loszukommen. Einige konzentrierten sich auf bestimmte Aspekte der Genesung, Ehrlichkeit und Verlogenheit zum Beispiel, aber alle betonten, wie großartig ihr Leben jetzt im nüchternen Zustand sei, und man spürte, dass sie keinen Unsinn redeten. Manche Vorträge waren eher wissenschaftlich und erklärten das Wesen der Krankheit in ihren verschiedenen Stadien. Für mich war es sehr wichtig, zum Beispiel zu erfahren, dass Alkoholismus, zumindest in Amerika, als Krankheit betrachtet wurde und nicht als eine Form charakterlicher Entartung. Für mich bedeutete es eine große Erleichterung, zu erfahren, dass ich an einer anerkannten Krankheit litt, die nicht beschämender war als Diabetes. Nun fühlte ich mich nicht mehr so allein.
    Diese Vorträge richteten mich auf, und einige der Redner begeisterten mich richtiggehend, Leute, die zwanzig Jahre oder länger nüchtern waren und oft haarsträubende, manchmal auch tragische Geschichten zu erzählen hatten. Aber einige von uns waren schwer zu erreichen, und später erfuhr ich, dass in meiner Abteilung ziemlich viel Drogen genommen wurden. Sonntag war Familien- und Besuchstag, da konnten Freunde und Angehörige alles Mögliche in die Klinik schmuggeln. Ich selbst habe mich da rausgehalten, aber nur, weil ich niemanden kannte, der mir etwas gebracht hätte.
    Ich hatte ein ganz anderes Problem. Hazelden war keine Einrichtung nur für Männer, doch intime Beziehungen zwischen den Geschlechtern waren streng verboten, und von den Patienten wurde erwartet, dass sie Vorfälle dieser Art meldeten. Aber ein Flirt war natürlich immer drin und Anbandelungsversuche durchaus üblich. Ich selbst war einige Male erfolgreich, ohne mich erwischen zu lassen. Es war mir gelungen, meinen Therapeuten davon zu überzeugen, dass ich Anspruch auf ein Zimmer für mich allein hätte, und fortan konnte ich Frauen zu mir einladen. Ein paarmal hatte ich Erfolg, gefährdete damit aber andere, die davon wussten. Denn wäre man dahintergekommen, dass sie mich nicht gemeldet hatten, hätte man uns alle rausgeworfen.
    Hazelden war eine der ersten Kliniken, die auch die Familie in die Behandlung mit einbezogen, und gegen Ende meines Aufenthalts kam Pattie und nahm an einer fünftägigen Schulung für Ehepartner und Angehörige teil. Dort erklärte man ihnen, was sie zu erwarten hatten und wie sie die Beziehung erneuern konnten, wenn der Patient, hoffentlich nüchtern, wieder nach Hause kam. Außerdem forderte man sie auf, sich mit ihrer eigenen Rolle innerhalb der Familienstruktur auseinanderzusetzen und sich zu fragen, ob sie selbst womöglich ebenfalls Hilfe brauchten. Es ist bekannt, dass man den Angehörigen eines Alkoholikers keine Vorhaltungen machen sollte. Meist kommen sie, weil sie selbst eine Art Sucht entwickelt haben, wenn auch nur danach, sich

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