Mein Leben für dich
bald für Ersatz sorge, geht mir noch mehr Kohle durch die Lappen und die Kundschaft wird aufmüpfig und verliert den Respekt vor mir und meinen Leuten. Oder, noch schlimmer: die anderen Gangs pfuschen mir dazwischen. Das kann ich mir nicht leisten, das verstehst du doch, oder? Es wird höchste Zeit, wieder für mehr Ordnung zu sorgen.«
Ich nicke mechanisch und sehe meinen Bruder vor mir, der im Knast sitzt und gelöchert wird von den Ermittlern. Scheiße, Ben, worauf hast du dich da bloß eingelassen?, frage ich ihn stumm. Wieso hast du mir nicht früher gesagt, was du noch so treibst? Hast du dich geschämt? Warum hast du mir nicht vertraut? Ich bin doch dein Bruder!
»Ich muss sagen, du bist der Einzige, dem ich außerhalb der Clique zutraue, Bens Platz einzunehmen, solange es nötig ist«, sagt Rick, »auch wenn dich deine Nerven beim ersten Versuch im Stich gelassen haben. Mir ging es ähnlich, als ich vor fünfzehn Jahren mein erstes eigenes Ding gedreht habe. Ich bin mir sicher, du hast einiges auf dem Kasten, man muss dich nur etwas antreiben.«
Ich weiß nicht, woher ich plötzlich den Mut aufbringe, ihm widersprechen zu wollen. Und ich weiß noch nicht einmal, ob es überhaupt mutig ist, oder einfach nur selbstmörderisch. »Rick, ich weiß dein Vertrauen zu schätzen, aber, ganz ehrlich, ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich so viel bringe, wie du denkst!« Die Stille im Raum vibriert. Ich halte die Luft an. Mike sitzt da wie erstarrt. Und Rick … seine Augen verdüstern sich, seine Gesichtsmuskeln fallen in sich zusammen und mit einem Schlag sieht er zehn Jahre älter aus.
»Vielleicht habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt, Simon. Wirklich sehr schade, dass du mir nicht dankend um den Hals fällst, nachdem ich dir gerade die Chance gegeben habe, dich und deinen Bruder aus dem Schlamassel zu ziehen«, sagt er bedrohlich leise. »Also gut, ich werde noch konkreter: Allein durch deine scheiß Aktion sind mir damals an die zehntausend Kröten durch die Lappen gegangen und ich musste außerdem dem Auftraggeber eine hübsche Summe Schadensersatz zahlen, weil der Deal geplatzt ist. In Kombination mit Bens Ausfällen ist mein Limit an Großzügigkeit und Toleranz überschritten. Verstehst du, was ich dir hier versuche klarzumachen, Simon? Das Limit … der Winter-Brüder … ist schon längst überschritten. Und zwar durch dich, denn der ganze Ärger, den wir hier haben, wächst einzig und allein auf deinem Mist! Deshalb wirst du, kleines Arschloch, mir gefälligst dabei helfen, mein Konto wieder auf Vordermann zu bringen, indem du einige Arbeiten deines Bruders übernimmst und wenigstens einen Bruchteil meiner Verluste, die ich hinnehmen musste, abarbeitest. Oder willst du, dass Ben einen Berg Schulden bei mir hat, wenn er aus dem Knast kommt? So viele, dass er bis ans Ende seiner Tage umsonst für mich arbeiten muss, weil ihn sein kleiner, unvorsichtiger Bruder in den Knast wandern ließ und ihm danach noch nicht einmal unter die Arme greifen wollte? Aus Schiss zu versagen?«
Bens verzweifelte Worte hallen in meinen Ohren nach: »Ich will nicht in seiner Schuld stehen, okay? Auf gar keinen Fall. Das alles ist so schon kompliziert genug.« Schweißperlen treten auf meine Stirn, aber ich weiß, ich habe keine andere Wahl, als mitzumachen, denn um Ben und mich auf andere Weise freizukaufen, bräuchte ich wahrscheinlich so viel Geld, wie ich niemals in den nächsten Monaten werde verdienen können. Ich stecke verdammt noch mal tief und fest in einer beschissenen Zwickmühle und Rick weiß das und nutzt meine Situation gnadenlos aus. »Alles klar, ich bin dabei«, murmle ich erschlagen. »Was soll ich tun?«
Rick beugt sich zu mir vor und haut mir freundschaftlich auf die Schultern. So wie damals Falkenstein, denke ich, als er mich überredete, für ihn zu arbeiten. Aber damals hatte ich tatsächlich eine Wahl, jetzt nicht.
»He, keine Sorge, du wirst das super hinkriegen, Kleiner. So gut, dass Ben stolz auf seinen kleinen Bruder sein wird, wenn er aus dem Knast kommt. Das ist es doch, was du wolltest, oder? In die Fußstapfen deines älteren Bruders zu treten und ihm zu beweisen, was du draufhast. Jetzt ist es so weit, dein Tag ist gekommen. Und sobald du die gröbsten Schulden abgearbeitet hast, kannst du auch deinen beschissenen Hoteljob an die Leine hängen und wirst beteiligt. Aber zuvor würde ich die Kleine noch ordentlich durchnageln, falls du es nicht längst getan hast. Wäre auf
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