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Mein Leben mit Wagner (German Edition)

Mein Leben mit Wagner (German Edition)

Titel: Mein Leben mit Wagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Thielemann
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wiederum aus dem Wagner-Jahr 1983 (allerdings bedeutend lauter als Hollreiser). Kollo ist auch hier Rienzi, begleitet von der jungen Cheryl Studer als Irene, dem etwas blassen Jan-Hendrik Rootering als Colonna und, wie bisweilen üblich, einem männlich besetzten Adriano, dem Bariton John Janssen (Orfeo).
    Die «Rienzi»-Ouvertüre habe ich einige Male im Konzert dirigiert und mit den Wiener Philharmonikern auch auf Platte eingespielt (Deutsche Grammophon). Die ganze Oper werde ich zum ersten Mal im Juli 2013 in Bayreuth dirigieren. Allerdings nicht im Festspielhaus – das wäre nicht nur nicht in Wagners Sinn, sondern wegen des gedeckelten Grabens auch kontraproduktiv. Spielort wird die Bayreuther Oberfrankenhalle sein, Regie führt Matthias von Stegmann, die Titelpartie singt der von mir sehr geschätzte amerikanische Tenor Robert Dean Smith, und spielen wird das Leipziger Gewandhausorchester. Das Ganze ist eine Koproduktion mit der Oper Leipzig und soll zu Wagners 200. Geburtstag die Achse zwischen seiner Geburtsstadt und seiner Hauptwirkungsstätte betonen (die «Feen» und das «Liebesverbot» stehen ebenfalls auf dem Jubiläumsprogramm). Was ich mir für meinen «Rienzi» vornehme? Eine kluge Strichfassung, die das Ganze erträglich macht und der Wirkung des Stücks trotzdem zu ihrem Recht verhilft; ein farbiges, jugendliches, durchaus auch einmal über die Stränge schlagendes Musizieren; kurz: eine Interpretation, die ohne Scheu das Werk von Italien und von Frankreich her denkt und die deutsche Spieloper ebenso im Blick hat wie Wagners innere Werkstatt.
    4
Schmucklos, dürftig, düster?
«Der fliegende Holländer» oder der Fluch des Willens
    Wie nähert man sich Richard Wagner? Vielleicht am besten, indem man zwei, drei Ausschnitte aus dem «Liebesverbot» und dem «Rienzi» hört sowie die «Faust»-Ouvertüre – und sich dann am «Fliegenden Holländer» erfreut. Weil sich da plötzlich richtig großartiges Musiktheater ereignet. Halb Nummernoper, halb durchkomponiert, ist der «Holländer» mit zweieinhalb Stunden Spieldauer schön kurz, so recht zum Ein- und Angewöhnen: ein stürmisches, überschwängliches, schwarzes Stück, durch den «Holländer» weht ein glühender Atem. Schon in der Ouvertüre spielen die Instrumente in exponiertester Lage, fast hysterisch, es pfeift und rasselt und fegt, und die Figuren stehen allesamt am Rande des Nervenzusammenbruchs: der Holländer in seiner ewigen Verdammnis, Senta in ihrem Wahn, Daland in seiner Raffgier und Erik, der Tenor, der nichts begreift. Geister singen aus Schiffsrümpfen heraus, Frauen verlieben sich in alte Ölgemälde, die Natur spielt verrückt, und am Ende gibt es eine große Apotheose.
    Im «Fliegenden Holländer» blickt Wagner bereits mit einigem Abstand auf die deutsche Spieloper zurück. Denn von dort kommt er ja. Das sind seine Wurzeln, Heinrich Marschner, Carl Maria von Weber, Albert Lortzing. Man kann es nicht oft genug betonen: Wer Lortzings «Zar und Zimmermann» nicht kennt, der versteht auch die «Meistersinger» letztlich nicht. Die offenere Form, die schnellen Dialoge, die lockere Orchesterbehandlung, das Duftige und Luftige, das Wagner nie ganz verliert, auch im «Ring» nicht – das alles kommt aus der Spieloper und von ihrer etwas fülligeren Schwester, der deutschen romantischen Oper. Im «Holländer» löst Wagner sich ein gutes Stück weit von dieser Tradition und bricht zu neuen Ufern auf. So ganz genau weiß er noch nicht, wo diese eigentlich liegen sollen. Das ist die Komponierwerkstatt, und das macht die Begegnung mit dieser «romantischen Oper» – so nennt Wagner den «Holländer» trotz allem – so spannend.
    Entstehung
    Im Mai 1841, in nur zehn Tagen, wirft Wagner das Libretto des «Holländers» aufs Papier, in nur sechs Wochen zwischen Juli und November folgt der Entwurf der Partitur. Anders als beim «Rienzi» will Wagner hier nicht der bessere Meyerbeer sein; anders als beim «Rienzi» präsentiert er sich diesmal als genuin deutscher Künstler. Dieser Gedanke kommt ihm nicht von ungefähr. Im Sommer 1841 nämlich findet in Paris die Erstaufführung von Webers «Freischütz» statt, und Wagner wirbt mächtig für das geliebte Stück. Die Franzosen sollten nur beherzt versuchen, «unsern frischen Wälderduft einzuatmen», schreibt er in Maurice Schlesingers «Gazette musicale» (was die Vergeblichkeit des Versuchs bereits einschließt). Die Absicht dahinter spricht Bände: Hat der «Freischütz» erst

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