Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
ich hätte bestimmt eine Versicherung - ich nickte er habe am Montag sowieso einen Termin in der Werkstatt zur Inspektion, und ich solle mir über derlei Lappalien keine Gedanken machen.
Ich machte mir keine, nahmen doch die Flughafenerlebnisse jede Gehirnzelle in Anspruch. Dennoch registrierte ich dankbar, dass Knut Meiser sich mehr um mich als um sein Auto sorgte. Martin hätte, wie ich ihn kannte, einen Tobsuchtsanfall bekommen, wenn ihm eine Frau derart gnadenlos hinten reingefahren wäre. Aber Martin war ja auch ein Vollidiot, wie ich gerade erfahren hatte.
Meiser jedenfalls fuhr mich nach Hause.
Ich war mir nicht sicher, ob Martin inzwischen auch daheim angelangt war, wappnete mich aber mit der Ausrede, ich hätte auf der Abfahrt von der Autobahn einen Auffahrunfall verursacht, weil irgendein Idiot völlig widersinnig gebremst hätte, und der A8 wäre nun in der Werkstatt. Martin würde es schlucken.
Und wenn nicht, war es inzwischen auch egal.
So richtig gelogen wäre es außerdem nicht, immerhin war ich jemandem hinten reingefahren.
Mein Mann war nicht daheim und Hedwig hatte vergessen, die Außenbeleuchtung einzuschalten, weshalb mich das Haus in ungastlicher Dunkelheit empfing. Schemenhaft war es durch die mehr als fünfzig Jahre alten Rhododendronbüsche entlang der Auffahrt zu erkennen. Unter einem vorgezogenen Giebel starrten zwei Reihen mannshoher Fenster in das schummrige Licht dieser Sommernacht. Meine Großmutter, nach deren Vorstellungen das Haus errichtet worden war, liebte das Flair von Südstaatenvillen und hatte sich ihrer beim Bau unseres Hauses als Vorbild bedient. Zwei rot gepflasterte Treppen schwangen sich in eleganten Bögen zu einer Terrasse hinauf, über die man zu der zweiflügeligen Haustür gelangte. Ein weit ausladendes Giebeldach, das von zwei konischen Säulen getragen wurde, schützte den Eingangsbereich gegen Regen und anderen Wetterunbill.
Normalerweise freute ich mich auf den Anblick des Hauses. An diesem Abend jedoch war er mir unheimlich.
Selbst der zarte Duft, der den gerade verblühenden Rhododendronblüten entströmte und den man erst wahrnahm, wenn man direkt an den stattlichen Büschen vorbeiging, konnte das ungute Gefühl, das in mir nagte, nicht verdrängen.
Auch gut. Oder nicht gut.
Es war inzwischen zwanzig nach zehn. Wo auch immer Martin sich rumtrieb, was auch immer er noch erledigte - mich hatte er nicht auf der Rechnung. Dass ich dem Stau längst entkommen sein und zu Hause auf ihn warten könnte, schien ihn nicht zu kümmern. Die Befindlichkeit der anderen Frauen besaß Priorität. Eine deprimierende Einsicht. Sachlich betrachtet.
Ich war aber nicht sachlich.
Ich war emotional hochgradig getroffen, geradezu ausgehebelt worden. Vielleicht galoppierte ich geradewegs auf einen Nervenzusammenbruch zu. Jedenfalls heulte ich schon mal unkontrolliert vor mich hin, während ich die Auffahrt entlangging. Ich erklomm die Stufen zur Terrasse mit weichen Knien und fingerte mit zitternden Händen und tränenden Augen den Schlüssel ins Schloss. Es dauerte eine Ewigkeit.
Immerhin brachte mich die Fummelei auf eine Idee: Ich würde meinen Mann heute Nacht unter keinen Umständen ins Haus lassen.
Er hatte seine Chance gehabt: Er hätte direkt vom Flughafen nach Hause kommen können. Er hatte die Chance nicht genutzt. Sollte er doch zusehen, wo er nächtigte. In meinem Schlafzimmer jedenfalls nicht.
Ich steckte den Haustürschlüssel von innen ins Schloss und drehte ihn so, dass er quer steckte und Martin ihn keinesfalls herausstochern konnte. Tränen tropften auf den Schlüssel. Ich ging hinunter in den Keller zur elektrischen Anlage des Hauses und legte den Sicherungsschalter für die Garage um. Damit versagte die Torautomatik und Martin würde auch über diesen Zugang nicht ins Haus gelangen. Das Haus war somit uneinnehmbar.
Ich weinte noch immer, wenngleich allmählich ein gemeines Grinsen auf meinen Lippen festfror. Lange hielt die Schadenfreude jedoch nicht an.
Alsbald tigerte ich ruhelos durch die Räume, wog die Argumente ab, die für ein Aussperren meines Manne sprachen, klaubte die Gegenargumente zusammen - und entschied, ich hätte richtig gehandelt. Eine Einsicht, unter der mein Tränenstrom langsam versiegte.
Ich zog mich aus, warf die Unterwäsche in die schmutzige Wäsche und klaubte sie sofort wieder hervor. Ich war jetzt weniger deprimiert als vielmehr wütend. Wutschnaubend stopfte ich die Unterwäsche in einen von Hedwigs Müllsäcken, wo sie
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