Mein mutiges Herz
Sohn als Mörder im Gefängnis landet?“
Tante Dee stöhnte.
„Ich stelle nur ein paar Fragen, vielleicht stoße ich auf eine Spur. Ich spreche noch einmal mit Rudy und versuche, mehr über seine Beziehungen zu diesen Frauen zu erfahren und wo er sich zum Zeitpunkt der Tat aufhielt. Er braucht ein Alibi, um von der Liste der Verdächtigen gestrichen zu werden.“
Streng sah Tante Dee sie an. „Dieser Polizist mit den buschigen Augenbrauen sagte, du hättest behauptet, Rudy wäre in der Nacht des letzten Mordes zu Hause gewesen. Das, meine Liebe, ist völliger Unsinn. Früher oder später werden die Kommissare die Wahrheit herausfinden, und dann steckt ihr beide in großen Schwierigkeiten.“
Lindsey lief ein kalter Schauder über den Rücken. „Mir ist eben nichts anderes eingefallen. In ein paar Tagen erkläre ich, mich geirrt zu haben. Dadurch gewinnen wir wenigstens Zeit.“
„Ich hoffe, du weißt, was du tust, mein Kind.“
„Das hoffe ich auch, Tante Dee. Das hoffe ich auch.“
Am nächsten Morgen sprach Lindsey mit Rudy. Er war ausnahmsweise nüchtern und wirkte ziemlich geknickt. Welch angenehme Überraschung! Rudy berichtete ihr, er habe das erste Mordopfer Molly Springfield in einem Nachtlokal in Covent Garden kennengelernt, konnte sich aber nicht an den Namen der Spelunke erinnern. Abgesehen von einem kurzen Stelldichein in einem der oberen Räume habe er nichts mit der Frau zu tun gehabt.
„Und das zweite Mordopfer … Miss Carter?“
„Ich sagte doch schon, ich habe sie bei einem Fest in Boggs’ Haus kennengelernt. Sie war Schauspielerin am Drury Lane Theater.“
„Warum hast du mir verschwiegen, dass du mit ihr in der Mordnacht zusammen warst?“
Eine schuldbewusste Röte überflog seine Wangen. „Aber ich sagte doch, dass ich sie kurz vor ihrem Tod gesehen habe.“
„Ich hatte nicht angenommen, dass du sie so kurz davor gesehen hast!“
„Ich hielt es bei unserem ersten Gespräch nicht für so wichtig.“
Entnervt verdrehte Lindsey die Augen.
Letztlich brachte sie diese Befragung nicht weiter. Rudy war so betrunken gewesen, dass er sich nur vage erinnern konnte, was in den Nächten geschehen war, in denen die Frauen umgekommen waren.
Sie brauchte mehr Informationen, musste mit Tom Boggs und mit Rudys anderen sogenannten Freunden sprechen, um nähere Einzelheiten zu erfahren. Sie musste auch herausfinden, wo genau die Morde stattgefunden hatten, um Nachbarn befragen zu können, ob ihnen irgendetwas aufgefallen war.
In den letzten Tagen hatte sie diskrete Erkundigungen eingezogen, hatte die Leute in der Gegend ausgefragt, ohne etwas Neues zu erfahren. Bislang wusste noch niemand, dass Rudy unter Verdacht stand, und jene, die davon wussten, schwiegen. Aber eines Tages würde doch etwas durchsickern, und Lindsey war ratlos, was sie dann tun sollte.
Sie saß an ihrem Schreibtisch und machte eine Liste der Dinge, die sie tun wollte, als Krista eintrat.
„Gibt es Neuigkeiten in der Sache mit deinem Bruder?“
„Ich fürchte nein. Ich mache gerade eine Aufstellung, wie ich an weitere Informationen gelange. Eigentlich müsste ich zunächst mit der Polizei sprechen.“
„Wieso das denn?“
„Ich muss wissen, was sie gegen Rudy in Händen haben. Die Tatsache, dass er die Frauen kannte, reicht doch gewiss nicht aus, um ihn zu verhaften.“
„Verstehe. Ich habe nämlich eine Idee.“
„Welche?“
„Nach unserem Gespräch vor ein paar Tagen versuchte ich Kontakt mit Randolph Petersen aufzunehmen, einem Privatdetektiv, mit dem wir befreundet sind. Mr. Petersen war uns vor einigen Jahren eine große Hilfe, als jemand versucht hat, unseren Verlag zu erpressen. Aber leider befindet Mr. Petersen sich auf einer Geschäftsreise, und sein Sekretär weiß nicht, wann er zurückkehrt.“
„Ein privater Ermittler … eine ausgezeichnete Idee. Ich hoffe ja, die Sache hat sich erledigt, bevor Mr. Petersen wieder in London ist, andernfalls wäre ich sehr froh, mit ihm sprechen zu können.“
„Vielleicht können wir einen anderen Detektiv einschalten.“
„Lass uns lieber auf deinen Freund warten. Möglicherweise stellt sich dann heraus, dass wir seine Hilfe gar nicht brauchen.“
Krista nickte. „Du hast vor, mit der Polizei zu reden?“
„Genau. Heute Abend findet die alljährliche Wohltätigkeitsveranstaltung des Vereins ‚Hilfe für Not leidende Witwen und Waisen‘ statt, eine Organisation, die auch vom Londoner Polizeipräsidenten unterstützt wird. Der Sohn einer
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