Mein mutiges Herz
was Sie sagen, so beruht die Anklage gegen Rudolph lediglich auf einer fragwürdigen Zeugenaussage; es handelt sich also um Indizien, nicht um stichhaltige Beweise. Wäre Ihr Vater in der Stadt, könnte er seine Freilassung ziemlich rasch erwirken.“
„Ich bitte Tante Delilah, sich an einige ihrer einflussreichen Freunde zu wenden; vielleicht können wir durch deren Fürsprache Rudys Freilassung beschleunigen.“
„Und ich spreche mit Avery French. Vielleicht kann er seine Überredungskünste bei Gericht einsetzen.“
„Zeigen Sie Mr. Marvin den Zettel“, bat Thor.
Lindsey holte den Brief, den sie am Morgen erhalten hatte, aus ihrem Beutel. „Ich halte nicht viel davon. Vermutlich ein schlechter Scherz, den einer der schwachsinnigen Freunde meines Bruders sich erlaubt hat.“
Marvin überflog die knappe Botschaft. „Das zeige ich Harrison Mansfield, dem privaten Ermittler. Mal sehen, was er dazu meint. Wir müssen jedem Hinweis nachgehen.“
Nach diesem positiv verlaufenen Gespräch fasste Lindsey zum ersten Mal wieder Mut und war optimistisch gestimmt. Da es schon spät am Nachmittag war, wurde der Besuch bei Phoebes Mitbewohnerinnen auf einen anderen Tag verschoben. Thor brachte sie zurück ins Büro, und beide nahmen ihre Arbeit wieder auf.
Zwei Tage später erwirkte Avery French Rudys Freilassung.
Dennoch blieb ihr Bruder der Hauptverdächtige in beiden Mordfällen. Die Suche nach dem wahren Täter musste also fortgesetzt werden.
Erst dann wäre Rudy von jedem Verdacht reingewaschen.
Schweißgebadet erwachte Thor mitten in der Nacht aus einem unruhigen Schlaf. Er hatte wieder einmal von Lindsey geträumt.
„Bei allen Göttern“, fluchte er und strich sich fahrig durch seine schweißnassen Haare. Mit einem tiefen Seufzer sank er ins Kissen zurück, das Herz schlug ihm wie ein Hammer gegen die Rippen, in seinen Lenden staute sich das Blut bis zur Schmerzgrenze. Trotz der späten Stunde zog er in Erwägung, die Damen im Red Door aufzusuchen, die ihn herzlich willkommen heißen und seiner aufgestauten Erregung Erleichterung verschaffen würden.
Sein Körper lechzte nach Erlösung, aber sein Verstand sehnte sich nach mehr.
Lindseys Bild tauchte vor ihm auf, wie sie sich in der Kutsche seinen Liebkosungen hingegeben hatte und in Verzückung geraten war. Er krallte die Finger ins Laken, als eine neue Welle der Erregung ihn erfasste. Er wollte keine der Frauen von Madame Fortier. Er wollte Lindsey Graham.
Und die konnte er nicht haben.
Die kleine Hexe hatte ihn verzaubert. Sie durfte ihm nicht gehören, auch wenn sie ihm wiederholt das Angebot gemacht hatte. Sie war davon überzeugt, dass der Mann, den sie einmal heiratete, ihr nicht die sinnlichen Freuden geben könnte, die sie sich von Thor erhoffte.
Vielleicht sollte ich ihr geben, wonach sie sich sehnt, dachte er, wonach wir beide uns sehnen.
Aber wenn sie ein Kind von ihm empfing? Sie hatte schmale Hüften, kein gebärfreudiges Becken, um sein Kind auszutragen. Selbst wenn sie gezwungen wäre, ihn wegen ihrer Schwangerschaft zu heiraten, könnte sie bei der Geburt seines Babys sterben.
Thor schlug mit den Fäusten auf das Kissen ein, wälzte sich ruhelos auf der Matratze hin und her, die plötzlich hart wie ein Brett zu sein schien. Nein, er durfte sie nicht nehmen.
Er kämpfte gegen die Dämonen, die ihm einreden wollten, er irre sich, und versuchte vergeblich, Schlaf zu finden.
Lindsey saß hinter ihrem Schreibtisch und sah, wie ihre Freundin sich näherte, das blonde Haar zu einem Nackenknoten gebunden, ihr schlichtes Musselinkleid mit Tinte bekleckst. Entschieden straffte Lindsey die Schultern, als sie ein gefaltetes Papier in Kristas Hand bemerkte.
„Das habe ich heute früh unter der Tür gefunden. Es ist an dich adressiert.“
Lindsey nahm den Zettel, drehte ihn um und erkannte die Handschrift. „Vor drei Tagen erhielt ich eine ähnliche Nachricht. Die Schrift scheint dieselbe zu sein. Irgend ein Dummkopf, der behauptet, einer von Rudys Freunden sei der Mörder.“ Sie brach das Siegel und las.
Begreifen Sie denn nicht? Ich meine nicht die Hohlköpfe in seiner Umgebung. Stephen Camden ist Ihr Mann.
„Du meine Güte!“
„Was schreibt der Kerl?“
Lindsey reichte Krista wortlos den Zettel, die den Inhalt überflog. „Stephen Camden? Es kann doch nicht von Viscount Merrick die Rede sein. Um Himmels willen, sein Vater ist der Marquess of Wexford.“
„Sein Landsitz Merrick Park liegt in Foxgrove und grenzt an Renhurst
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