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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Schädelin
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sagte er, wenn er nur ein paar Stunden früher gekommen wäre, so hätte er einen Specht den Klauen eines Geiers entreissen können.
    Das war indessen ein recht billiger Trost, denn eine Handvoll Federn waren für unser Lazarett nicht genug der Insassen.
    Wir setzten uns, und als ich ihm eben sehr leise meinen Spott zu spüren geben wollte, sagte er, ich täte besser, ihn beim Erfinden einer Idee zu helfen, die uns der Verlegenheit enthebe.
    Nach einer guten Weile erhellte sich sein Angesicht, und die nötige Idee zeichnete sich darin ab. Wieder einmal so eine rechte, verzweifelte Wrigley-Idee!
    Ohne mich einer Erklärung zu würdigen, machte er die Hosen auf, entnahm den Unterhosen eine Sicherheitsnadel und machte sich an eine unklare Arbeit: Aus der Tasche holte er eine Schnur und knüpfte die offene Sicherheitsnadel daran.
    So, jetzt sei das Problem gelöst.
    «Auf welche Weise?» fragte ich.
    Ob ich es nicht merke? — Das sei doch kindereinfach. Er fabriziere eine Fischrute.
    Ich fand das etwas eigenartig, denn erst vorhin war er noch tierliebend gewesen, und nun schlug er derart ins Gegenteil um. Ich machte ihm aus meiner Verwunderung kein Hehl.
    «Ach Santscho, du bist und bleibst ein Amateur! Ich bin ja just dabei, unser Gelübde zu erfüllen!»
    «Aber Franz, dann solltest du jetzt nicht noch fischen gehen.»
    «Eugen, pardon, Santscho Pansa! strenge deine Denkerstirne an! Um das Gelübde zu halten, will ich fischen!»
    Noch immer begriff ich nichts, und mit einem Kopfschütteln, wie es der Lehrer nach einer miserablen Probe tut, erklärte mir der heilige Franz:
    «Bitte, Santscho, passe jetzt einmal so gut auf, als es dir dein Hirn erlaubt: Was meinst du, tut das einem Fisch wohl, wenn man ihn an der Angel hat?»
    «Nein, natürlich nicht.»
    Na also. Zweitens: Tut es einem Fisch wohl oder nicht, wenn man ihn von der Angel befreit und ihn im Wasser schwimmen lässt?»
    «Natürlich tut es ihm wohl.»
    «Na also! Gesetzt der Fall, ich gehe jetzt fischen und nehme dann den Fisch von der Angel ab und gebe ihn dem Bach zurück: Habe ich dem Fisch dann geholfen oder nicht, he?»
    Ich gab mich geschlagen, und so retteten wir auf diese Weise drei Gründlingen das Leben.
    Und doch war das nicht das Richtige. Das fühlte auch Franz der Zweite, und am Abend besprachen wir die Sache im Wigwam. Als ich endlich damit fertig herausrückte, der richtige Franz von Assisi sei meiner Ansicht nach ein Blödian gewesen, blieb der Wrigley zu meiner Verwunderung eine ganze Weile still, und erst nach einem tiefen Seufzer ergriff er das Wort:
    Der Franz von Assisi sei schon recht gewesen. Aber er habe Glück gehabt. In Assisi gebe es vermutlich viel mehr hilfsbedürftige Tiere und mehr wilden Honig, und vielleicht habe es dort auch schmackhaftere Heuschreckensorten als hier. Dort sei das ganze also keine Kunst: Wenn man auf Schritt und Tritt über seufzende Kreaturen stolpere und, wo man auch absitze, von wildem Honig klebrige Hosen bekomme, so sei es leicht, ein heiliger Franz zu sein. Hier in der Magadinoebene aber habe die Sache eine Nase, und das hätten wir nun erfahren.
    Das sagte er, aber noch wollte er daraus keine Folgerungen ziehen, und ich hütete mich, ihm etwas einzuflüstern, denn was ihm nicht selbst in den Sinn kommt, lehnt er ab.
    Aber auch er musste schon lange bemerkt haben, dass die Einsiedlerei aus dem Leim ging: Immer öfter nannte er mich Eugen und ich ihn Wrigley, und wir dachten beide im geheimen an Eduard und an den Bäschteli und an den Sikki. Wir dachten an den Patrouillenlauf vom nächsten Samstag, denn der Wrigley fragte einmal ganz unvermittelt, was wohl die Nieten ohne ihn ausrichten wollten. Immer holder wurde uns das Lagerleben, besonders als wir gegen Ende der Nacht zu frieren begannen und zu allem Überfluss ein leiser Regen niederfiel Am Morgen war der Wrigley zeitig auf den Beinen und machte einen Spaziergang ganz für sich. Als er zurückkam, schlug er mir vor, wir wollten doch einmal ins Lager gehen, nur so für eine halbe Stunde, um zu sehen, wie mühsam das frühere Leben doch gewesen sei, als man noch wie Sardinen beieinanderlag. So sprach er, aber sowohl er wie ich wussten ohne weitere Worte, dass Franz der Zweite von Assisi für immer gestorben war.

DAS OXYD

    Den schmalen Weg am Seeufer entlang machten wir uns schweigend zum Lager zurück, und ich glaube nachträglich, das war ein Fehler. Denn kaum kamen wir in die Nähe jenes Schilfsumpfes, noch eine Viertelstunde vom Lagerplatz

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