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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Schädelin
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berühmte Grösse gewesen sei, habe das auch getan, und er habe sich wie kein anderer auf dieses Fach verstanden.
    Von nun an wolle er werden wie der Franz von Assisi: Ganz einsam fern von aller Menschenunrast, nur den gestirnten Himmel über sich und das morahlische Prinzip in sich. Er wolle den schnöden Menschen die Gefolgschaft aufkünden, und mich erwähle er zu seinem Gefährten in die Abgeschiedenheit.
    Er habe drei Programmpunkte:
    Erstens Armut, zweitens Einsamkeit, drittens Hilfsbereitschaft gegen die Tiere.
    «Morgen wollen wir beginnen.»
    Ich entgegnete ihm, das gehe nicht, denn wir seien doch im Lager und könnten nicht mir nichts dir nichts verschwinden, aber da meinte der Wrigley, die Menschheit habe seine Treue nur mit Untreue vergolten, und es geschehe ihr nur nach Billigkeit, wenn wir von ihr Hessen.
    Aber — so fuhr ich fort — das sei doch nicht interessant, so einsam!
    «O Eugen, du kennst nicht den Reichtum der Stille, und überhaupt, wenn du nicht kommst, muss ich dir den Garaus machen.»
    So schloss er denn mit mir einen ewigen Bund, und ich musste schwören, fürderhin ganz arm zu bleiben, ganz einsam und ganz hilfreich gegen alle Tiere der Schöpfung.
    Der Wrigley verkündigte hierauf mit feierlicher Stimme, von jetzt an heisse er nur noch Franz der Zweite von Assisi, und auch mir gab er einen Namen, einen sehr befremdlichen, nämlich Santscho der Zweite von Pansa, und als ich fragte wer das sei, da nannte er mich eine wandelnde Bildungslücke: Das wisse doch jeder Zweitklässler, dass der Begleiter des heiligen Franz Santscho Pansa geheissen habe.
    Wir schlossen unsere Sitzung mit der Verabredung, am nächsten Mittag aus dem Lager auszureissen, um fortan Einsiedler zu werden.
    Die Tenero-Gegend eignete sich gut zu diesem Zweck, weil die Magadinoebene viele Sümpfe und verlassenes Land aufweist.
    Ich wollte am Abend vorher noch meine Sachen packen, aber der Wrigley verbot es mir: Armut sei jetzt unsere Tugend, und ich müsse alles zurücklassen: Gut, Ehr, Kind und Weib.
    So wanderten wir denn am folgenden Tag ohne allen Ballast in unser neues Leben.
    Wir liefen bis zu einem Halbinselchen am Fluss, wo es lauter Büsche und sonst nichts gab. Kaum waren wir dort, ergriff mich der Schreck: Weder Kochkessel noch Zündhölzchen standen uns mehr zur Verfügung. Aber Franz der Zweite fand das ganz in Ordnung:
    Unsere Speise sei von jetzt an wilder Honig und Heuschrecken.
    «Heuschrecken?»
    Jawohl, Heuschrecken. — Als ich das nun doch etwas verschroben fand, da behauptete er, nach eben diesem Rezept haben andere vor uns auch gelebt, welche an ihrem kleinen Finger mehr Grütz gehabt haben, als ich an der ganzen Hand, und es stehe mir nicht an, solche Vorgänger zu belehren.
    «Aber Wrigley — pardon — Franz! jetzt haben wir doch geschworen, kein Tier zu töten! Gegen den Honig will ich nichts sagen, aber das mit den Heuschrecken geht gegen unser Gelübde!»
    «Santscho! Rede du nicht in Sachen hinein, von denen du nichts verstehst! Erstens sind Heuschrecken keine rechten Tiere, und zweitens töten wir sie nicht. Wir essen sie lebendig.»
    Auf solche Rede hin schwante mir nichts Gutes, aber weil es da nichts zu erwidern gab, schwieg ich und half mit, eine Art Laubhütte zu bauen.
    Der Wrigley war eine Zeitlang sehr unwirsch. Er fühle sich auch jetzt noch unverstanden. Aber auch ich war nicht eben gut zu sprechen, denn wegen jeder Kleinigkeit gab es Trübungen unseres Verhältnisses.
    Was konnte ich zum Beispiel dafür, dass es in der Magadinoebene Mücken gibt. Wenn ich eine erschlug, dann nannte er mich einen Kanibalen und mahnte mich an meinen Eid. — Tat er aber das gleiche, so war das etwas ganz anderes, und konnte er jedesmal nichts dafür: Das sei eine Reflexbewegung, und was nicht wissentlich geschehe, sei kein Mord. Immerhin, so lenkte er ein, er werde auch diese Zuckungen noch beherrschen lernen, und ich solle bitte nicht so ungeduldig tun.
    Zu diesem Zweck beschloss er, mit mir zu trainieren, führte mich an einen Tümpel, und dort sollte ich mit ihm zusammen ganze Schwärme saugen lassen: Das sei im Sinne des Heiligen Franz. Während dieser halben Stunde begann ich zu erkennen, dass dieser Franz von Assisi ein verschrobener Sonderling gewesen war. Aber diese Erkenntnis behielt ich wohlweislich für mich.
    Gegen Abend bekamen wir Hunger, und der Wrigley schickte mich aus, wilden Honig zu sammeln. Das sei ganz einfach: Ich solle nur auf die hohlen Baumstämme achten. Dort gebe es

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