Mein Name ist Eugen
entfernt, da begegneten uns auf der Kreuzung des Strässchens zwei aufgeregte Männer mit langen Stangen, die auf eines der drei Bootshäuschen zueilten, welche bisher leider ununterbrochen zugesperrt waren. Von ihnen vernahmen wir die furchtbare Neuigkeit, dass seit Tagen in unserem Lager zwei Knaben vermisst wurden, die vermutlich beim Baden ertrunken waren: Halb Tenero suchte seit gestern in Booten die Ufer und den Seegrund ab.
Ohne lange nachzudenken kannten wir die Namen der zwei Leichen und wurden vor Schreck gelähmt. Der Wrigley zitterte am ganzen Leib: Die einzigen Nichtschwimmer im Lager waren der Bübu und der Sikki. Das war ganz schrecklich.
Vom Sikki sagte man bei Lebzeiten, wenn er daheim in die Badewanne steige, so lege er einen Kork an, und waschen tue er sich nur im Taucherhelm. Vor lauter Wasserfurcht war er stets so dreckig, dass einst seine Eltern, als sie ihm gewaltsam das Gesicht wuschen, erst nach fünf Minuten merkten, dass es der Hinterkopf war.
Und der Bübu war ein Fall für sich: Der konnte schwimmen wie ein Fischotter, aber nur unter Wasser. Jedesmal, wenn er den Kopf an die Oberfläche streckte, ertrank er augenblicklich, und man musste ihn retten. Schon einmal hatte ihn der berüchtigte Schwimmlehrer, der Plänes verloren geglaubt, als der Bübu mit dem Strohhalm einer Milchflasche im Mund bei trübem Wasser unter das Brücklein tauchte, und nur so weit heraufkam, bis er durch das Röhrchen Luft bekam.
Ausser diesen Beiden gab es im Lager nur hervorragende Schwimmer, und deshalb waren die Namen der Ertrunkenen für uns schnell gefunden. Wir fingen an, ehrlich zu trauern, und wir eilten den beiden Männern und ihren Stangen nach, stiegen mit ihnen ins Schiff, um ihnen zu helfen und wussten bei allem nicht, wo uns der Kopf stand. Wir ruderten im Schilf herum, und die Männer fingen an, mit ihren Stangen nach den Leichen zu stochern, während der Wrigley düstere Reden hielt:
Jetzt sei Freund Sikki nicht mehr! Ja, ja, damals, bevor wir als Franz von Assisi von dannen zogen, habe er so einen tragischen Zug an den Lippen gehabt, so etwas engelhaft reines. Das falle ihm erst jetzt auf. Ein edler Geist sei auf der Walstatt geblieben, ein Opfer der modernen Zivilisation.
An uns sei es jetzt, das Erbe des Erblassten anzutreten und sein Banner hochzuhalten. Nie werde er den Sikki vergessen können, und ewig bleibe er ihm für das verbunden, was sein Wesen ausgestrahlt habe. —
So ging es weiter: Sikki war ein Held, Bübu ein Heros, und am Ende verstand ich den Wrigley nicht mehr: Was anderes hatte er bei Lebzeiten mit dem Sikki gehabt als Spott und Streit, weil dieser Knabe — ausser im Handball — sogar dem Wrigley zu faul und lau war. Noch mehr aber erstaunte mich die Rede, welche der Bübu bekam:
Gewiss sei Freund Bübu mutig schwimmen gegangen und aus Versehen auf getaucht. Ja, Bübu gleiche dem Falter, der sich in die Flamme stürzt, in letztem, sehnsuchtsvollem Flug, dass zwar die Schwingen loderten und der Leib vergilbte, aber er verwandle sich nun zu einem höheren Sein. —
So sprach der Wrigley heute, und noch vor vier Tagen hatte er ihm einen vaterländischen Sennenkuss verabreicht, so dass er über die Zeltschnur flog, weil der Bübu die schlechte Gewohnheit hat, seine Schuhe mit Fischtran einzuschmieren und sie dann an die Zeltwand nahe beim Kopfkissen des Wrigley zu stellen.
Schweigend ruderten wir kreuz und quer dem Ufer entlang, während in uns zugleich die Hoffnung und die Angst wüteten, die Ertrunkenen aufzufinden.
Die Männer stocherten sich müde, und ab und zu sah man in der Ferne durch das Schilf andere Schiffe bei der gleichen traurigen Arbeit.
Es wurde Abend, als die Männer beschlossen, die Suchaktion bis morgen einzustellen. Aber kaum hatten sie die Stangen ins Boot gelegt, geschah etwas Unerhörtes:
Keine dreissig Meter von uns entfernt tauchte plötzlich ein Schiff auf, und neben zwei Männern standen aufrecht--Der Sikki und der Bübu!
Gerettet!
Wir stiessen einen Freudenschrei aus, griffen in die Ruder, und ein paar Augenblicke später hatten wir nach einem Sprung in den anderen Kahn den Sikki und den Bübu ganz gegen unsere sonstigen Gewohnheiten umarmt.
Das war der schönste Augenblick meines ganzen Lebens. Freilich, mit den Augenblicken ist es eine merkwürdige Sache: Manchmal hören sie sehr bald wieder auf; besonders in diesem Fall:
Während ich den Bübu und der Wrigley den Sikki umarmte, merkten wir bald einmal, dass auch sie uns an sich
Weitere Kostenlose Bücher