Mein Name ist Eugen
Kravatte pickte, denn scheinbar hatte sie die Butter trotz des Stahls gereizt.
Grosse Bestürzung!
Ohne uns verabredet zu haben, dachten und taten wir alle das gleiche: Die Kügelchen sind nun in den Hühnern, und wir müssen sie wieder haben! Darum müssen wir zuerst die Hühner haben, und darum umzingelten wir sie und fingen sie nach einer guten Viertelstunde.
Ich habe schon immer eine grosse Lieblosigkeit gegen Hühner in mir getragen. Abgesehen von ihren Eiern sagen sie mir nichts, solange sie nicht in der Suppe sind. Ausserhalb gibt es nichts Unsympathischeres: Wenn man sie zum Beispiel an ihren Beinen hält, an diesen kalten, hartweichen, schlüpfrigen Beinen, ist es kaum zu glauben, dass ihr Inwendiges so gut schmeckt.
Als wir sie endlich verhaftet hatten, kam die Frage: Was nun? Jeder von uns hielt ein Biest in der Hand, und sie wehrten sich so abscheulich, dass wir sie vorerst fesseln mussten, um in Ruhe beraten zu können. Der Wrigley zog mit Kennermiene eine Schnur aus der Tasche, um die Fesselung fachmännisch und nach den Anweisungen des Karl May zu besorgen. Als sie am Boden liegend gackelten, wollte er sie in seinem Eifer knebeln, doch weil der Onkel des Bäschteli Präsident des Tierschutzvereins war, färbte er stark auf seinen schwächlichen Neffen ab, und unter seiner Fürsprache wurde beschlossen, erst einmal das Zelt aufzustellen und sie darin zu versorgen, bis wir uns draussen rätig waren.
Nach vieler Mühe begann der Kriegsrat.
Der Eduard riet zur Operation. Er wisse genau, wie man eine Narkose verabreiche, so, dass sie erst in den ewigen Jagdgründen erwachen. Als der Bäschteli im Namen der Tierwelt protestierte, beharrte der Eduard wenigstens darauf, dass wir in diesem Fall einen Volksgerichtshof bildeten, um die vier Hühner wegen Diebstahls zum Tode zu verurteilen. Aber der Bäschteli meinte, vielleicht seien diese vier Geschöpfe das einzige Besitztum jenes Bauern dort, und vielleicht hänge das Leben von Frau und Kindern vom Leben dieser Hühner ab. Als der Bäschteli dann zu weinen begann und in der Verzweiflung den Eduard in die Zehe biss, gaben wir nach und suchten einen andern Weg zu unseren Kügelchen.
Der Wrigley stellte einen neuen Antrag: Er sei für Rizinus aus der Taschenapotheke. Vier zu Null stimmten wir ihm zu, und sogleich wären wir an die Ausführung gegangen, doch trat etwas dazwischen in der Person des Bauern, der den Weg herunterkam. Er zwang uns, in den Zelten Zuflucht zu nehmen, eine Decke über die Hühner zu breiten und ihnen darunter die Schnäbel zuzuklemmen, damit sie uns nicht verrieten. Derweil verhandelte der Wrigley draussen mit dem Bauern, der seine Hühner suchte, und wir zitterten drinnen um das Schicksal von Bäschtelis Rücktritt, bis der Mann sich endlich entfernte, ohne ins Zelt hereingeschaut zu haben.
Nach diesem Schrecken begannen wir mit dem Einflössen des Rizinus. Ich ahnte ja einige Schwierigkeiten, denn ich wusste, wie sehr die Mutter in solchen Fällen mit mir zu kämpfen hat. Aber mein Widerstand war gar nichts im Vergleich zu diesen Hühnern! Um keinen Preis waren sie zum Trinken zu bewegen, auch dann nicht, als der Wrigley aus einer Postkarte einen Trichter verfertigte und ihnen den von oben in den Schnabel schob: Der halbe Rizinusvorrat klebte ihnen und uns bereits an allen Körperteilen. Aber in sie hinein floss er nicht. Wir wurden nervös; die Hühner brüllten sich das Herz aus dem Leib und drohten, den Bauern noch einmal herbeizulocken. Und doch konnten wir den Rizinus nicht lassen, denn wenn wir hätten warten sollen, bis die Kügelchen von selber kamen, dann wären Tage vergangen.
Enttäuscht, und weil er nichts besseres wusste, kramte der Bäschteli von neuem in der Taschenapotheke, dieser Riesenschachtel, welche ihm sein Vater konstruiert hatte aus Angst, er gehe ohne sie an der Cholera zugrunde. Wie durch Zufall brachte er ein Blechröhrlein zum Vorschein, auf dem es hiess:
«20 Pillen Sanalepsi
gegen nervöse Störungen aller Art
und Schlaflosigkeit.»
Ach ja, richtig, das war ja ein Geschenk der Tante Melanie an den Wrigley, als wir von ihr Abschied nahmen, und weil der Wrigley alles Pülverlein- und Pillenzeug verachtet, hatte er es dem Bäschteli geschenkt. Tante Melanie isst dieses Mittel pfundweise wegen ihrer unerhörten Schlaflosigkeit. Der Wrigley aber behauptet, schlafen könne sie nur deshalb nicht, weil sie am Abend meistens vergesse, ihr Kropfband aus Samt zu lösen, und dann bekomme sie in der Nacht
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